Lawrow: Der Westen will alles Russische in der Ukraine vernichten
Der Versuch, sich selbst und die eigene Bevölkerung davon zu überzeugen, dass “Putin den roten Knopf nicht drücken wird, weil er es bisher nicht getan hat”, schlägt fehl. Das Argument, dass es keine nukleare Bedrohung gibt, weil die Atommächte nie strategische Atomwaffen in lokalen Konflikten eingesetzt haben, ist unhaltbar. Die Atommächte waren noch nie mit einer solchen Bedrohung der Sicherheit und territorialen Integrität ihrer Bürger konfrontiert, wie sie die NATO heute für Russland darstellt.
Die Verschärfung der westlichen Rhetorik bis hin zu unverhohlenen Drohungen mit der Zerstückelung des russischen Staates ist in Moskau deutlich zu hören. Die politische Führung Russlands, die bis jetzt versucht hatte, den Dialog mit ihren “westlichen Partnern” auf der Grundlage realpolitischer Prinzipien und unter Einhaltung der Grundprinzipien des internationalen öffentlichen Rechts zu führen, scheint ihre Position endgültig geändert zu haben. Nach einem Jahr militärischer Kämpfe ist klar geworden, dass die derzeitige Konfrontation vom kollektiven Westen nicht einmal in den letzten acht Jahren, sondern schon vor Jahrzehnten geplant wurde, spätestens seitdem etwa 2004 klar wurde, dass Russland versucht, sich von den neokolonialen Fesseln der postsowjetischen Zeit zu befreien.
Moskau sieht keine Möglichkeit mehr, den Konflikt mit den NATO-Staaten friedlich zu lösen
Die Jahrespressekonferenz des russischen Außenministers Sergei Lawrow war eine bemerkenswerte Bestätigung dafür. Der russische Minister beschrieb die derzeitige Lage auf der internationalen Bühne äußerst scharf:
“Was jetzt in der Ukraine geschieht, ist das Ergebnis jahrelanger Vorbereitungen der USA und ihrer Satelliten, um einen globalen hybriden Krieg gegen die Russische Föderation zu führen. Niemand verheimlicht dies. Wenn Sie unvoreingenommene westliche Persönlichkeiten, darunter Politikwissenschaftler, Gelehrte und Politiker, lesen, können Sie sich davon überzeugen. Erst neulich erschien ein Artikel von Ian Bremmer, Professor an der Columbia University. Er schrieb: ‘Wir befinden uns nicht in einem ‘kalten Krieg’ mit Russland. Wir befinden uns in einem ‘heißen Krieg’ mit Russland.'”
Lawrow weiter:
“Diese Schlussfolgerung liegt auf der Hand. Es ist seltsam, dass Menschen versuchen, sie zu widerlegen. Der kroatische Präsident Milanović sagte kürzlich, dass dies ein Krieg der NATO sei. Vor einigen Wochen schrieb Henry Kissinger (bevor er in seinem letzten Artikel die Aufnahme der Ukraine in die NATO forderte), dass es sich bei den Ereignissen in der Ukraine um einen Zusammenstoß zwischen zwei Atommächten um die Kontrolle über dieses Gebiet handelt. Es ist klar genug, worum es hier geht.”
Die “westlichen Partner”, so der russische Außenminister, täuschen sich nur selbst, wenn sie dies leugnen und behaupten, dass sie sich nicht im Krieg mit Russland befinden, sondern der Ukraine nur helfen würden, mit der “Aggression” fertigzuwerden. Der Umfang der Unterstützung zeige, dass der Westen alles auf seinen Sieg gegen Russland gesetzt hat. Lawrow:
“Alles ist im Spiel. Die vom Westen, allen voran den USA, geschaffenen Mechanismen, die als unantastbar galten, sind zerstört worden. Der freie Markt, der faire Wettbewerb, das freie Unternehmertum, die Unverletzlichkeit des Eigentums, die Unschuldsvermutung ‒ alles, worauf das westliche Modell der Globalisierung aufgebaut war ‒ brach über Nacht zusammen. Sanktionen gegen Russland und andere ‘unerwünschte’ Länder werden im Widerspruch zu diesen Postulaten und Mechanismen verhängt. Es ist klar, dass sie morgen oder übermorgen gegen jeden Staat eingesetzt werden könnten, der auf die eine oder andere Weise nicht bedingungslos den amerikanischen Befehlen folgt.”
Paradoxerweise zieht Lawrow dieselben Parallelen wie sein europäischer Gegenspieler Borrell:
“So, wie Napoleon praktisch ganz Europa gegen das Russische Reich mobilisierte, so, wie Hitler die meisten europäischen Länder ‘unter Waffen’ stellte und sie gegen die Sowjetunion warf, haben die USA eine Koalition aus praktisch allen Europäern in der NATO und der EU gebildet und führen mit den Händen der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen unser Land mit demselben Ziel ‒ der endgültigen Lösung der ‘russischen Frage’.”
“Endlösung der Russenfrage” und neue Epoche – Pressekonferenz des russischen Außenministers Lawrow
In letzter Zeit wurde in der Öffentlichkeit über personelle Veränderungen in der russischen politischen und militärischen Verwaltung berichtet. Vor allem in den wichtigsten politischen Gremien, wie der Präsidialverwaltung, dem Sicherheitsrat, den Sonderdiensten, kam es zu Wechseln in den Spitzenpositionen. Gegen mehrere hochrangige Beamte wurden Überprüfungen eingeleitet, ihre Verbindungen zum Ausland und mögliche korrupte Praktiken werden untersucht.
Auch im Verteidigungsministerium hat es Veränderungen gegeben. Armeegeneral Gerassimow wurde zum Befehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine ernannt, wodurch die Befehlskette verkürzt wurde. Außerdem wurden neue Generäle für eine Reihe von Schlüsselpositionen im Verteidigungsministerium ernannt. Im Januar begann das russische Militär, die Luftabwehr der Hauptstadt zu verstärken.
All dies spiegelt eine veränderte Sichtweise im Kreml auf das Geschehen und seine Bereitschaft wider, auf die Herausforderung zu reagieren. Die Aggression der transatlantischen Eliten ist von Russland endlich angemessen beantwortet worden. Leider bedeutet die unnachgiebige Position des Westens, dass die Welt nicht auf ein baldiges Ende des Krieges in Europa hoffen kann. Eine Eskalation des Konflikts ist wahrscheinlich.
Übersetzt aus dem Englischen.
Der Artikel ist auf der Plattform Southfront erschienen.
Quelle