© Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons Symbolbild; Majolika an einer Berufsschule in Wien, Hütteldorfer Straße
Die Bundesregierung verbreitet regelmäßig, die Ausbildungssituation für Jugendliche sei hervorragend, und es gebe letztlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerber. Im Jahr 2023 seien 73.400 unbesetzte Ausbildungsstellen 26.400 unversorgte Bewerber gegenübergestanden. Im Berufsbildungsbericht 2024 lobt sich die Bundesregierung:
“Für junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz hat sich die Marktlage rein rechnerisch in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert.”
Man müsse nur Betriebe und Behörden davon überzeugen, “in die Ausbildung von schwächeren jungen Menschen zu investieren, auch wenn dies zunächst mit ‘höheren Kosten’ einhergehen kann.”
Meinung
Trotz Fachkräftemangels: Mehr Arbeitslose und Massenentlassungen in Deutschland
Ein Artikel des Wirtschaftsportals Makroskop hat nun ausgeführt, dass diese Darstellung die wirkliche Lage völlig verzerrt. Selbst nach dem offiziellen Berufsbildungsbericht hätten von 422.059 Jugendlichen, die bei der Bundesagentur für Arbeit als eine Ausbildungsstelle suchend gemeldet waren, nur 48 Prozent tatsächlich eine Ausbildung begonnen. Dabei sind 37 Prozent bereits über ein Jahr auf der Suche und gelten als sogenannte “Altbewerber”. Besonders hoch ist der Anteil der vergeblich auf Ausbildung hoffenden Jugendlichen in Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein.
Der Trick, wie dieses Debakel zum Verschwinden gebracht wird, und wie aus 287.567 erfolglos eine Ausbildung Suchenden eine kleine Gruppe von nur 26.000 “Unversorgten” wird, wird auf Makroskop genau beschrieben: All jene, die eine Arbeit aufgenommen haben, in einer Warteschleife wie einem “Berufsbildungsjahr” hängen oder die sich schlicht nicht mehr gemeldet haben, werden nicht mitgezählt. Auch jene, die versuchen, über Praktika, also unbezahlte Arbeit, eine Chance zu erhalten, verschwinden. Der pensionierte Bildungsstatistiker, der diesen Artikel verfasst hat, liefert ein Musterbeispiel dafür, wie sich eine enttäuschende Wirklichkeit in positive Schlagzeilen umwandeln lässt.
“Man könnte nun meinen, dass die Bundesregierung angesichts dieser hohen Ausbildungslosigkeit und des immer wieder beschworenen ‘Fachkräftemangels’ den Ernst der Lage erkannt hat und wirksame Gegenmaßnahmen ergreift.”
Schon die Formulierung des Autors deutet an, dass genau dies eben nicht geschieht. Im Gegenteil, die von der Politik vorgeschlagenen Rezepte würden nur auf mehr Betreuung hinauslaufen. Dabei helfe das nichts gegen den Rückgang der Ausbildungsplätze, weil der Anteil der Betriebe, die überhaupt ausbilden, von 24,1 Prozent im Jahr 2007 auf 19,1 Prozent im Jahr 2021 gefallen sei.
“Das ist in etwa so, wie wenn man gegen den Wohnungsmangel in Deutschland mit Wohnungsorientierung bei den Wohnungssuchenden und Wohnungsagenturen vorgehen wollte.”
Niedriges Gehalt und Fachkräftemangel: Pflegebranche in der Krise
Das einzige Hoffnungszeichen, das der Artikel erkennen lässt, ist, dass anscheinend die Gewerkschaften ihre Haltung bezüglich der Berufsausbildung geändert haben. Früher wurden außerbetriebliche Ausbildungen als Ersatz für nicht vorhandene betriebliche von ihnen immer abgelehnt. Aktuell, in der Stellungnahme der Arbeitnehmervertreter zum Berufsbildungsbericht, wird nun eine Ausbildungsgarantie, also ein Recht auf eine Berufsausbildung für jeden Jugendlichen, auch mit außerbetrieblicher Ausbildung gefordert:
“Wem dies nicht durch den unmittelbaren Sprung in eine betriebliche Ausbildung gelingt, soll nicht durch jahrelange Warteschleifen entmutigt werden. Stattdessen muss ein Angebot auf eine außerbetriebliche Ausbildung diese jungen Menschen auffangen und – wenn eine Vermittlung in betriebliche Ausbildung scheitert – ihnen die Möglichkeit auf einen Berufsabschluss eröffnen.”
Allzu große Hoffnungen, dass derartige Forderungen auch nur ansatzweise umgesetzt werden, hat der Autor aber nicht. Sein Fazit:
“Man kann schon jetzt davon ausgehen, dass weiterhin Jahr für Jahr gut die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle ausbildungslos bleiben werden. Der Berufsstart ins Leben wird für sie zu einem Fehlstart.”
Quelle