Analyse
Westbalkan: US-“Sorgen” wegen russischem Einfluss, oder “Brandbekämpfung mit Benzin”
Viele andere Nutzer des sozialen Netzwerks Twitter äußerten sich ähnlich und machten die deutsche EP-Abgeordnete auf deren “Politik der Doppelmoral” in Bezug auf die serbische Provinz Kosovo und die aktuelle Lage in der Ukraine aufmerksam. Zum ersten Mal seit Beginn der russischen Sonderoperation in der Ukraine hat sich Serbien in der Generalversammlung der Vereinten Nationen bei der Verabschiedung einer der diesbezüglichen Entschließungen der Stimme enthalten. Bei früheren Gelegenheiten hatte Serbien noch “für” die Verurteilung Moskaus gestimmt.
Gegner der Rolle Russlands in der Ukraine sind über diese Tatsache ganz besonders besorgt und erinnern daran, dass alle Balkanländer außer Serbien für die Verabschiedung jener Entschließung gestimmt haben, in der “Moskau aufgefordert wird, die Verantwortung für die Verletzung des Völkerrechts durch den Einmarsch in die Ukraine zu übernehmen und dass dies die Zahlung von Kriegsreparationen an Kiew einschließen sollte.” So sagte etwa Vladimir Međak, Vizepräsident der Europäischen Bewegung in Serbien:
“Alles, was intern [in Serbien] passiert, zeigt, dass Serbien mit Leib und Seele auf russischer Seite steht. Und das ist das größte Problem.”
Ob diese jüngste Abstimmung eine Änderung des aktuellen außenpolitischen Kurses bedeutet, erklärt der Politologe Dragomir Anđelković so:
“Das offizielle Belgrad versucht, bei der Abstimmung in der UNO und anderen internationalen Organisationen die Forderungen des Westens zu erfüllen, ohne dabei die rote Linie zu überschreiten, die die russische Seite als Akt der Feindseligkeit interpretieren würde. In diesem Zusammenhang hat Serbien mehrfach für Entschließungen des Westens, die Moskau moralischen Schaden zugefügt haben, gestimmt, sich jedoch seiner Stimme für jene enthalten, die eine konkrete Dimension hatten und als Unterstützung von Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, interpretiert werden könnte. Dennoch hatte dieses Verhalten der serbischen Behörden, die der Kreml in der vorangegangenen Periode toleriert hatte, eindeutig einen negativen Effekt. Es häuften sich Situationen, in denen Belgrad eine für Russland ungünstige Position einnahm, was Moskau Vučić in gewisser Weise mitteilte. Dies hat wahrscheinlich zu unserer Enthaltung in Bezug auf jene Entschließung geführt, in der die Forderung nach Zahlung von Reparationen durch Russland geregelt ist.”
Auch der serbische Verteidigungsminister Miloš Vučević teilt die Überzeugung, dass Serbiens langfristiges strategisches Engagement darin besteht, eine selbstständige und unabhängige Außenpolitik zu verfolgen, ungeachtet unterschiedlicher Interpretationen einiger serbischer außenpolitischer Handlungen.
Als dritten Beleg für den nicht vorhandenen, aber in den Medien oft erwähnten “bösartigen Einfluss Russlands auf dem Balkan” heben prowestliche Politiker und Analysten die Eröffnung der Onlineplattform RT (Russia Today) in serbischer Sprache hervor. Früher erregte allein die Ankündigung einer solchen Möglichkeit Verdacht, weil die Europäische Union im Juli 2022 verkündete, dass sie gegen eine solche Möglichkeit sei.
Die Regierungsvertreter Serbiens haben auf den Start von RT in serbischer Sprache nicht reagiert, doch jüngste Untersuchungen der Agentur Demostat und des Instituts für europäische Angelegenheiten belegen, dass bis zu 80 Prozent der serbischen Bürger gegen die Verhängung von Sanktionen gegen Russland sind. Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Serbien, Vladimir Bilčik, reagierte auf den Start von RT auf Serbisch, indem er betonte, dass “es nicht um ein Medium, sondern um russische Kriegspropaganda geht.”
Der russische Botschafter in Belgrad, Alexander Botsan-Kharchenko, erklärte daraufhin, dass der EP-Berichterstatter “eigentlich von Belgrad gefordert hat”, die Tätigkeit von RT zu verbieten, und damit “die allgemeinen europäischen Werte zynisch in Vergessenheit geraten ließ”. Er frage sich, von welcher Art von Meinungsfreiheit in Europa die Rede sei, wenn Belgrad dieses grundlegende demokratische Prinzip im Zuge “eines erfolgreichen Fortschritts des serbischen Volkes in Richtung einer hellen Zukunft in der Europäischen Union aufgeben muss”, so der Botschafter weiter.
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