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Ausgewandert: Unser Weg nach Ungarn

Ausgewandert: Unser Weg nach Ungarn

Quelle: Legion-media.ru © CHROMORANGEBudapest, Blick auf die Fischerbastei

Von Tom J. Wellbrock

Die Entscheidung, nach Ungarn auszuwandern, fiel Anfang 2020, wir wussten es nur damals noch nicht. Als der Corona-Wahnsinn begann, ging ich von einer kurzen Schockwelle aus, über die nach drei Wochen niemand mehr sprechen würde. Bekanntermaßen irrte ich mich auf ganzer Linie. Der Mann in meinem Lieblingsimbiss hatte mehr Weitsicht als ich, er schüttelte den Kopf, als ich ihm sagte, dass diese Geschichte in ein paar Wochen vorbei sei. Das glaube er irgendwie nicht, meinte er. Der Rest ist Geschichte.

 Der beginnende Druck

Ich erinnere mich an viele Szenen, die erschreckend waren. Allerdings waren es tatsächlich weniger die teils völlig hanebüchenen Verbote, vielmehr war es die ausführende Staatsmacht, also die Polizei, die mich besorgte. Schlimmer noch waren allerdings die vielen Mitläufer, die völlig unhinterfragt noch die verrücktesten Maßnahmen unterstützten und bereit waren, dafür zu denunzieren und zu hetzen.

Geht es noch schlimmer? Ja, irgendwie schon. Denn im Zuge der Corona-Episode erlebte ich zudem eine Menge gefallene Helden. Ich bin Jahrgang 1967 und aufgewachsen mit “Kristallnacht” von BAP, mit “Jetzt oder nie” von Grönemeyer und “Freiheit” von Westernhagen. Diese “Helden” entpuppten sich als willige Helfer einer totalitär ausgerichteten Politik, sie machten mit, warben für die Maßnahmen, schlossen Impfunwillige aus und zerlegten sich direkt vor meinen Augen.

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Gespräche im digitalen, wie im analogen Leben wurden immer schwieriger, ich verlor langjährige Freunde, weil ich einige Wochen oder Monate (ich erinnere mich nicht mehr genau) nach dem Beginn dessen, was sie “Pandemie” nannten, immer kritischer wurde und die Maßnahmenpolitik von Tag zu Tag bedenklicher fand.

Irgendwann stand fest, dass ich ein “Querdenker” war, ein “Schwurbler”, “Impfgegner” und irgendwie zwischendurch auch noch ein “Antisemit”. Meine persönliche Geschichte löste sich vor meinen Augen in Luft auf. Seit ich denken kann, war ich ein Linker, ich wurde von Leuten politisiert, die Kommunisten waren, Sozialisten, Sozialdemokraten, eine bunte Mischung, auch mit dem Anarchismus habe ich mich eine Weile wohlwollend beschäftigt.

Bis einschließlich heute ist all das nur in meiner Innenwahrnehmung geblieben, in der Außenwirkung stehe ich an einem Rand der Gesellschaft, dem ich mich nie zugehörig gefühlt habe. Und während ich früher in bester und freundschaftlicher Gesellschaft war, ist es inzwischen einsam geworden um mich herum.

Druck aus der Ukraine

So etwas wie eine Aufarbeitung der Corona-Grausamkeiten hat nicht stattgefunden, und das ist kein Wunder, hatte diese Episode doch so viele Täter, die als solche nicht entlarvt werden wollen. Statt einer Aufarbeitung stürzte man sich in die nächste Perversion: Russophobie und Kriegshetze.

Nach dem 24. Februar 2022 war nichts mehr wie vorher. Russland hatte, so die Erzählung, unprovoziert die “arme Ukraine” überfallen, und während diese Lüge täglich neu formuliert und als Propaganda in Reinkultur unters Volk gestreut wurde, erlebte ich zum wiederholten Male, dass die Menschen sich lenken lassen wie Stoffpuppen ohne einen Funken Eigenleben.

Erneut wurde wiedergekäut, was auf dem Silbertablett serviert wurde – gedankenlos, kritiklos und mit kindlicher Naivität. Ich beschäftigte mich sehr intensiv mit dem Ukraine-Konflikt, und je tiefer ich in das Thema einstieg, desto wütender wurde ich. Dieser Krieg war alles andere als “unprovoziert”, er war über Jahre, über Jahrzehnte vorbereitet worden, um die NATO näher an Russland heranzubringen und Putin als das personifizierte Böse darzustellen.

Digital wie analog – es waren die gleichen Gespräche, die ich führte, und es wurde von Mal zu Mal ermüdender. Erneut verlor ich Freunde, erneut wurde es einsamer um mich herum. Gemeinsam mit meiner Frau hatte ich schon während der Corona-Episode über das Auswandern nachgedacht. Aber es war für uns keine Option. Noch nicht.

Der Gedanke wächst


Analyse

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Wir, also meine Frau und ich, waren immer der Überzeugung, in Deutschland zu leben, bis zu unserem Tod. Ich war in diesem Land geboren, hatte meine erste Liebe getroffen, die ersten Alkoholerfahrungen gemacht, war sozialisiert und politisiert worden in diesem Land, diesem Deutschland. Immer schon war ich ein gesellschaftskritischer Mensch gewesen, aber es war dennoch mein Land, in dem ich aufgewachsen bin, dessen Sprache ich sprach, in dem all meine persönlichen Erinnerungen waren.

Zu diesen romantischen Erinnerungen kam eine gewisse Trotzhaltung. Nein, sagten wir uns, wir lassen uns nicht vertreiben, das ist auch unser Land, und wir haben das Recht, unser Leben so zu leben, wie es unseren Überzeugungen entspricht. Doch diese vermeintliche Stärke ist in den letzten drei Jahren immer brüchiger geworden. Zuletzt wurde mir der Presseausweis verweigert, potenzielle Auftraggeber, die meinen Namen gegoogelt hatten, sprangen wieder ab, wieder wurde es einsamer um uns herum. Die Angst einer Kontosperrung oder ähnlicher Dinge wuchs, ich hatte ja genügend andere Beispiele gesehen, teils in meinem persönlichen Umfeld, denen es richtig an den Kragen ging. So lange wollten wir nicht warten.

Gedanklich waren wir in den letzten Jahren in unterschiedlichen Ländern: Italien, Spanien, Mexiko, Dänemark, Schweden und Russland heißen einige von ihnen. Wir drehten es hin und her und kamen immer wieder zum Schluss, dass wir bleiben wollen in Deutschland, aus den genannten Gründen. Aber Mitte 2023 war ein Punkt erreicht, an dem der Gedanke des Weggehens wuchs, konkret wurde, Formen annahm. In diesem Zeitraum begannen wir, uns mit Ungarn zu beschäftigen. Russland war wegen der westlichen Sanktionen problematisch, denn ich bin darauf angewiesen, weiter mit meinen bisherigen (treuen) Auftraggebern zusammenzuarbeiten, das wäre über Russland schwierig geworden. Ich möchte aber an dieser Stelle bekennen: Ich liebe die russische Seele, habe sie kennengelernt und Menschen getroffen, die mein Leben enorm bereichert haben.

Jetzt sind wir im Land des “EU-Bösewichtes” Victor Orbán, und wir fühlen uns wohl, wirklich gut. Deutschland erscheint uns weit weg, es ist zum Fremden für uns geworden. Das Fremde, in dem wir einst das Licht der Welt erblickten. Wir schlafen besser, wir nehmen die Nachrichten aus Deutschland entspannter wahr, und ich fühle mich als Journalist einfach sicherer, habe bereits Gesprächsangebote erhalten, die meine berufliche Tätigkeit in Ungarn vorantreiben.

Abschlussbemerkung

Ich schreibe an dieser Stelle (noch) nichts über das Ankommen in Ungarn, über das Leben, die Umstellungen, die Sprachbarrieren und viele andere Dinge, mit denen man sich als Auswanderer befassen muss. Vielleicht hole ich das später nach, wenn etwas Zeit ins Land gegangen ist. Aber ich kann sagen, dass es weniger romantisch ist, als man glaubt, wenn man sein Heimatland verlässt. Es ist eine logistische und organisatorische Herausforderung, aber auch die Psyche wird auf eine harte Probe gestellt. Trotzdem bereuen wir unseren Schritt nicht, er war letztlich – um es typisch deutsch zu sagen – “alternativlos”.

Für Deutschland habe ich keine gute Prognose zu bieten, ich fürchte, es wird alles noch sehr viel schlimmer werden, Politik und Medien sind wie von Sinnen, geblendet vom eigenen Größenwahn und tief in der Abhängigkeit der amerikanischen Befehlshaber, die ihnen den Weg weisen.

Aber ich meine es ernst, wenn ich schreibe, dass ich allen Menschen, die in Deutschland leben, wünsche, dass ich mich irre, so wie ich mich geirrt habe, als ich Corona als einen Unfall betrachtete, der nach einigen Wochen vorbei ist. Mein damaliger Irrtum erwies sich als fatal und weitreichend. Vielleicht irre ich mich wieder, und diesmal geht es in eine positivere Richtung.

Ich wünsche es allen, die diese Zeilen lesen.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

Quelle

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