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Chemiekonzern BASF beendet die jahrelange Hängepartie um seinen Ausstieg bei Wintershall Dea und verkauft das Öl- und Gasunternehmen. Der britische Ölkonzern Harbour Energy übernimmt die Produktions- und Entwicklungsaktivitäten sowie Explorationsrechte ohne Russlandbezug für insgesamt 11,2 Milliarden Dollar in bar und Aktien, wie die Unternehmen am Donnerstag mitteilten. Deutschland verliert damit seinen einzigen Konzern zur Förderung von Öl und Erdgas.
Deutsches Öl- und Gasunternehmen Wintershall Dea verlässt Russland
Für den Konzern, dessen Vorläufer Wintershall und Dea Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, bedeutet der Deal das Ende der Eigenständigkeit. Die beiden Zentralen in Hamburg und Kassel stehen vor dem Aus, hunderte Stellen werden abgebaut.
BASF erhält für seinen Anteil von 72,7 Prozent an Wintershall Dea 1,56 Milliarden Dollar sowie 39,6 Prozent der Anteile an der neuen, erweiterten Harbour-Gesellschaft. BASF wird damit zum Großaktionär des vergrößerten Harbour-Konzerns.
Die Wintershall-Minderheitseignerin Letter One, die 27,3 Prozent an Wintershall Dea hält, soll rund 590 Millionen Euro sowie neue Aktien im Volumen von 14,9 Prozent an Harbour bekommen. Letter One erhält dabei Aktien ohne Stimmrechte, da die Investmentgruppe unter anderem dem russischen Milliardär Michail Friedman gehört, der sich auf der EU-Sanktionsliste befindet.
Die Unternehmenssitze von Wintershall Dea in Hamburg und Kassel, wo derzeit etwa 850 Personen beschäftigt sind, sollen geschlossen werden. Harbour beabsichtigt laut der BASF-Mitteilung zwar, einige Beschäftigte der derzeitigen Hauptverwaltungssitze in das kombinierte Unternehmen zu übernehmen. Allerdings heißt es aus Unternehmenskreisen, dass fast alle Angestellten dieser Standorte sowie weitere Beschäftigte von Landesgesellschaften ihre Arbeitsplätze verlieren dürften. Weltweit könnten demnach rund 1.000 Menschen betroffen sein. Wintershall-Chef Mario Mehren sagte in einer ersten Reaktion:
“Für das Team von Wintershall Dea in Kassel und Hamburg und mich persönlich ist diese Nachricht, gerade so kurz vor Weihnachten, eine große Enttäuschung.”
BASF streicht 2.600 Stellen – Zwei Drittel davon in Deutschland
Für die Mitarbeiter von Wintershall Dea ist dies ein weiterer Tiefschlag: Erst im September hatte das Unternehmen angekündigt, 500 seiner weltweit mehr als 2.000 Stellen abbauen zu wollen, darunter 300 in Deutschland. Bereits damals war beschlossen worden, den Verwaltungssitz in Hamburg zu schließen und alle Tätigkeiten auf die Konzernzentrale in Kassel zu konzentrieren. Die meisten Stellenstreichungen wären damit auf Hamburg gefallen. Die Gewerkschaft IG BCE erklärte:
“Für die IG BCE ist klar, dass BASF und Letter One in der sozialen Verantwortung für die von der Schließung betroffenen Menschen stehen. Gerade BASF ist das den Beschäftigten nach mehr als 50 Jahren als Wintershall-Eigentümer schuldig.”
Aus Arbeitnehmerkreisen hieß es zudem, die Angestellten von Wintershall würden am Freitag in einer internen Veranstaltung von Wintershall-Chef Mehren näher informiert werden. Faktisch gehe mit dem nun verkündeten Schritt die 125-jährige Geschichte von Wintershall in Deutschland zu Ende.
Seit Russlands Eingreifen in den Ukraine-Krieg und den daraufhin folgenden Sanktionen des Westens verlor Wintershall Dea den Zugriff auf sein wichtiges Erdgasgeschäft im Norden Russlands. Das Unternehmen Wintershall war zuvor eng mit Russland und Gazprom verbunden, über Jahrzehnte hatte Wintershall mit Gazprom und anderen russischen Energieunternehmen enge Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut. Im Rahmen mehrerer Gemeinschaftsunternehmen förderten die beiden Konzerne Gas und Öl in Sibirien.
In den letzten Jahren hat Wintershall jedoch auch ein neues Geschäftsfeld für die Speicherung von Kohlendioxid unter dem Meeresboden aufgebaut. Der BASF-Konzern plant bereits seit geraumer Zeit, aus dem Öl- und Gasgeschäft auszusteigen. Der Verkauf von Wintershall Dea wird von Konzernseite aktuell als “wichtiger Schritt” bei dem geplanten Ausstieg bezeichnet.
Verluste durch antirussische Sanktionen: Unternehmen fordern Millionen-Entschädigung vom Bund
BASF und Letter One bleiben formal Eigentümer der Geschäfte mit Russlandbezug. Die Werte haben die Unternehmen bereits abgeschrieben. Allerdings könnten die Unternehmen noch Entschädigungen vom Staat bekommen, denn die Bundesregierung hatte die Geschäfte von Wintershall in Russland mit mindestens 1,8 Milliarden Euro abgesichert.
Die rechtliche Trennung der Geschäfte mit Russlandbezug, zu denen neben Gemeinschaftsunternehmen auch Beteiligungen in Libyen, den Niederlanden und an der Gaspipeline Nord Stream gehören, gehe wie geplant voran, teilte BASF mit.
Die Transaktion mit Harbour Energy muss noch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Mit einem Abschluss wird für das vierte Quartal 2024 gerechnet.
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