Quelle: www.globallookpress.com © Kay Nietfeld/dpa Boris Pistorius bei seiner Ankunft am Freitag in Paris, wo er mit seinem französischen Amtskollegen eine Absichtserklärung zum gemeinsamen Bau eines neuen Kampfpanzers unterzeichnete. (25. April 2024)
Von Tom J. Wellbrock
Mariam Lau von der Zeit sagte über Boris Pistorius kürzlich bei Maischberger, er sei “jemand, der keinen Scheiß redet”. Diese steile These müsste fachliche Kompetenz beim Minister beinhalten, denn um keinen Scheiß zu reden, ist entsprechende Expertise unverzichtbar. Fehlt diese – man sieht das sehr deutlich bei der Außenministerin ohne diplomatisches Rüstzeug im Gepäck -, entstehen peinliche Wortmeldungen, die zu ertragen nur möglich ist, wenn man ein höriger Journalist ist, der sich nichts anmerken lässt.
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Im Gegensatz zur Ministerin für Äußeres ist Pistorius mit einer Fähigkeit auf jeden Fall ausgestattet: Er kann recht gut reden und sich dabei als guter Kumpel verkaufen. Bei dieser Kombination wundert es auch nicht, dass Pistorius bei seinem Auftritt bei Maischberger vor kurzem gefühlte 30-mal das Wort “kriegstüchtig” verwendet hat (der gefühlte Wert ist vom tatsächlichen in diesem Fall nicht weit entfernt).
Eine weitere Eigenschaft, die Pistorius mitbringt, ist Selbstvertrauen. Nachdem er erstmals von der unbedingt notwendigen Kriegstüchtigkeit Deutschlands gesprochen hatte, handelte er sich dafür von allen möglichen Seiten Ärger ein. Doch statt zurückzurudern, zu beschwichtigen, zu erklären, das sei ja alles ganz anders gemeint gewesen, benutzt er den Begriff der Kriegstüchtigkeit erst recht und geradezu inflationär.
Nein, der Mann lässt sich nicht “ins Bockshorn jagen” (O-Ton Pistorius), er setzt noch eine Schippe drauf und kommt durch damit. Der ehemalige Kabarettist und heutige Karrierist Urban Priol, der inzwischen mit kriegstüchtiger Güte auf seine verrückte Teilnahme an Friedensdemonstrationen von damals blickt, findet das mit der Kriegstüchtigkeit zwar nicht so schön, besser fände er einen Zustand der Verteidigungsfähigkeit. Aber alles in allem gibt’s nix zu meckern an dem Boris, der “keinen Scheiß redet”.
Überprüfen wir das doch einmal ein bisschen.
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Viel mit Sport, wenig mit Militär
Boris Pistorius schwärmt für den VfL Osnabrück, in guten wie in schlechten Zeiten, versteht sich. Der wiederum kämpft gerade gegen den Abstieg von der zweiten in die dritte Liga. Man denkt unweigerlich an den grundsätzlichen Zustand Deutschlands, wenn man das liest, aber sei’s drum.
Am 14. März 1960 erblickte Pistorius – so weit überliefert ist, vollständig lebenstüchtig – das Licht der Welt. Fußball pflastert seinen Weg, und folgerichtig war er von 2002 bis 2006 Leiter der Abteilung “Schulen und Sport” der Bezirksregierung Weser-Ems, Außenstelle Osnabrück und von 2013 bis 2023 Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport. Man könnte sich den Mann recht gut als Sportlehrer vorstellen.
Sein Abitur machte Pistorius 1978, es folgte eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Die anschließende Arbeit als kaufmännischer Angestellter dauerte nur ein Jahr, dann begann der Wehrdienst 1980, der bis 1981 dauerte. Nun war ein Studium der Rechtswissenschaften dran, das er 1987 mit dem 1. Staatsexamen abschloss.
Von 1990 bis 1991 arbeitete Pistorius als Rechtsanwalt, danach verlieren sich seine fachlichen Spuren im Nirgendwo, denn er ging zunächst als Regierungsassessor im Dezernent für Lehrerpersonalien im Dezernat 410 bei der Bezirksregierung Weser-Ems, Außenstelle Osnabrück, in die Politik. Dort angekommen, braucht man keinerlei Kompetenznachweise mehr, man besetzt halt Posten und macht irgendwas mit Volksvertretung.
Meinung
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Ein Jahr Wehrdienst. Das ist ziemlich dünn für einen Minister für Verteidigung. Und so bastelte die „Wikipedia”, die bekannt dafür ist, die „richtigen” Leute hoch- und die “falschen” runterzuschreiben Anfang April 2024 noch ein bisschen am Eintrag von Pistorius. Er hat nämlich nicht nur den Wehrdienst durchlaufen, sondern hat mächtig Karriere bei der Bundeswehr gemacht. Der Bürger liest also über seinen Kriegsminister nach:
“Nach diversen Reserveübungen ist sein letzter Dienstgrad Obergefreiter.”
Also doch! Der Mann hat’s drauf. Obergefreiter, das macht etwas her, staunt der Laie. Es lohnt sich allerdings, auf der “Wikipedia” zu bleiben und kurz eine andere Seite zu besuchen, nämlich die, auf der die Bedeutung des Obergefreiten erklärt wird:
“Aufgrund der Zugehörigkeit zur Dienstgradgruppe der Mannschaften können Obergefreite auf Grundlage des § 4 (‘Vorgesetztenverhältnis auf Grund des Dienstgrades’) der Vorgesetztenverordnung niemandem allein auf Grund ihres Dienstgrades Befehle erteilen. Wie alle Mannschaftsdienstgrade können sich Obergefreite auch in Notlagen nicht selbst zu Vorgesetzten gemäß § 6 (‘Vorgesetztenverhältnis auf Grund eigener Erklärung’) der Vorgesetztenverordnung erklären.”
Gut für Pistorius, dass er heute Bundesverteidigungsminister ist, denn als Obergefreiter hätte er nichts, aber auch gar nichts zu melden.
Gefährlicher Pappkamerad
Boris Pistorius ist einer der besseren Blender in der aktuellen politischen Landschaft. Ein Blender ist er aber dennoch. Was er von sich gibt, entpuppt sich bei kritischem Zuhören als Luftnummern. Wohl auch deswegen beruft er sich gern auf Experten und Fachleute für Sicherheit und Militär, wenn er seine Sprechblasen absondert.
Nur ein Beispiel: Bei Maischberger erklärte der Verteidigungsminister, warum Russland vorhabe, die NATO anzugreifen:
“Und während Russland nach Ansicht von Pistorius dabei extrem hohe Verluste zu beklagen habe und ‘wahnsinnig viele Ressourcen in diesem (Ukraine-)Krieg’ verbrauche, gehe ‘ein großer Teil oder ein Teil dessen, was neu produziert wird, gar nicht mehr an die Front’, sondern lande ‘in den Depots’.”
Selbst ein ehemaliger Zivildienstleistender (was der Autor dieses Textes ist) kann in Anbetracht dieses Blödsinns nur den Kopf schütteln. Denn Pistorius schließt aus seiner Beobachtung, dass Russland bzw. Putin “im Zweifel irgendwas vorhat oder haben könnte”.
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Das ist also die Analyse des Mannes, der für Deutschlands Sicherheit sorgen soll. Und gleichzeitig werden Leute wie Harald Kujat oder Erich Vad, die wirklich etwas vom Fach verstehen, nicht mehr in Talkshows eingeladen, weil sie die “falschen” Analysen liefern.
Es lohnt sich durchaus, das gesamte Gespräch mit Maischberger anzusehen. Wenn man die Unfähigkeit der Journalistin, wirklich kritisch nachzufragen und die Inkompetenz Pistorius’ zu entlarven, einmal außen vorlässt, ist es sehr erhellend. Denn Pistorius tappt von einer Falle in die nächste und widerspricht sich nicht nur ständig, sondern zeigt seine Ahnungslosigkeit auf ganzer Linie.
Interessant ist die Sendung aber auch, weil sowohl die kommentierenden Gäste (der Ex-Kabarettist Urban Priol, die Politikredakteurin der ZEIT Mariam Lau und der ARD-Hauptstadtkorrespondent Stephan Stuchlik) lächelnd in das Kriegsgeheul eines Boris Pistorius einsteigen, während das eingeladene Publikum an den “richtigen” Stellen klatscht. Diese ganze Talkshow war eine einzige Propaganda-Veranstaltung, um für den Krieg zu trommeln und die nachwachsende Generation aufs Sterben vorzubereiten.
Und im Mittelpunkt: Ein Minister, der besser Sportlehrer geworden wäre.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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