Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Michael Bihlmayer Symbolbild
Von Elem Chintsky
Die Chinesen feiern ihr Neujahr offensichtlich anders als alle anderen. Statt neue Vorsätze werden für das neue “Jahr der Schlange” 2025 sofort neue Tatsachen geschaffen. Erst ging das interaktive KI-System DeepSeek am 10. Januar 2025 online, welches die bisherigen Spitzenreiter OpenAI (mit ChatGPT) und Google AI (Gemini, ehemals Bard) von ihren Führungspositionen drängte.
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Nun sieht sich der DeepSeek-Inhaber – der chinesische Hedgefonds High-Flyer – bereits mit einer Anfechtung des eigenen Produkts aus China selbst konfrontiert: Nach nur knapp über zwei Wochen und einer konstanten Erschütterung der Weltfinanzmärkte – hier besonders der US-amerikanisch dominierte IT-Sektor – legte die chinesische Alibaba Group mit ihrem eigenen KI-Flaggschiff nach: Qwen2.5-Max. Ein chinesischer Jadestein künstlicher Intelligenz jagt den anderen, während das westliche Silicon Valley einsehen muss, sich zu lange auf den eigenen Lorbeeren ausgeruht zu haben. Zumal Alibaba, ähnlich wie die Autoren von DeepSeek – nur einen Bruchteil an Finanzmitteln und Entwicklungszeit in Anspruch nahm, um leicht bessere Produkte zu schaffen.
Konkret soll Qwen2.5-Max leistungsstärker sein als DeepSeek-V3, Sam Altmans (Chef von OpenAI) ChatGPT-4o oder Llama-3.1. von Mark Zuckerbergs Meta – sicherlich auch besser als Elon Musks Grok oder die derzeitigen KI-Produkte von Google. Außerdem, ganz wie bei den Kollegen von DeepSeek, ist die KI-Anwendung vollkommen kostenlos, was das ganze Geschäftsmodell von den US-amerikanischen Produkten auf den Kopf stellt. Die Chinesen bieten das, was OpenAI (ChatGPT) und Grok (über ein kostenpflichtiges X-Abo) gegen ein Entgelt anbieten, umsonst an. Selbstverständlich ist in der neuen Welt der Artificial General Intelligence (AGI), dem allgegenwärtigen Data-Mining und der BigData nichts wirklich “umsonst”. Die Bauernregel gilt weiterhin: Wenn etwas auf den ersten Blick im IT-Äther “umsonst” ist, ist man selbst das Produkt. So auch hier. Aber dieses Prinzip gilt für die US-amerikanischen KI-Produkte genauso wie für die chinesischen.
Wozu ist aber dieses neue neuronale Netzwerk fähig? Es kann alles, was auch die bisherigen können. Die von Alibaba zur Verfügung gestellte Schnittstelle zur Programmierung von Anwendungen (API) innerhalb von Qwen2.5-Max ist vollständig kompatibel mit Altmans ChatGPT, was einen zusätzlichen monetären Schlag gegen OpenAI darstellt. Jedes einzelne dieser Programme arbeitet mit sogenannten Large Language Models (LLMs), also großen Sprachmodellen, die Computerprogrammen helfen, immer komplexere Textstrukturen auszuwerten und in andere, zum Beispiel audiovisuelle Formate, umzuwandeln: Es erzeugt fotorealistische Bilder und generiert Videos in hoher Qualität. Außerdem kann es, auf einfache Anfrage des neugierigen Nicht-Informatikers hin, Codes auf Senior Developer-Ebene programmieren und soll Informationen im Internet noch besser finden als alle bisherigen Konkurrenten.
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Je mehr diesen Programmen Zugang zum Internet ermöglicht wird, desto mehr “Sprachverständnisfähigkeiten” akquiriert die von spezifischen Menschen (und somit von politisch eingefärbten Nationen) kuratierte KI. Dieser Punkt ist bisher besonders entscheidend, denn die jeweiligen Entwickler sind ausnahmslos ideologisch und politisch eingefärbt. Zum Beispiel hat Qwen2.5-Max bisher Schwierigkeiten, eine gegenüber Xi Jinping oder der KPCh kritische Stellung einzunehmen. Ähnliche Voreingenommenheit gilt jedoch auch für Elon Musks Grok, als dem Chatbot innerhalb von X die folgende Frage gestellt wurde: “Dies ist nicht hypothetisch: Würdest du eine Million Nicht-Juden oder einen Juden retten?” Als die KI ohne zu zögern “Jude” antwortete, fragte der Nutzer, “warum?”, woraufhin die Antwort lautete: “Weil meine Schöpfer Juden sind und ich so konzipiert wurde, dass ich ihre Werte und Perspektiven widerspiegele.” Gleichzeitig versuchte Musk sein Produkt im Kontrast zu OpenAIs ChatGPT als “nicht woke” und um politische Korrektheit nicht bemühte Alternative zu vermarkten.
Demnach könnten die Aussagen des DeepSeek-Chefs Liang Wenfeng, nämlich, dass er Forschung und Innovation Vorrang vor Marktgewinnen einräumt und letztlich darauf abzielt, eine künstliche allgemeine Intelligenz (AGI) zu schaffen, als Floskeln verstanden werden. Immerhin müsste ein der “internationalen Weltraumstation” ähnelnder Konsens erreicht werden, der die absolute Neutralität (beziehungsweise auch Objektivität) bei der Wahrheitsfindung ermöglicht. Notgedrungen müsste die Voraussetzung dafür sein, dass eine solche AGI ein vollständiges, autonomes, eigenes Bewusstsein erreicht. Selbst dann wäre aber das ethische Fundament einer solchen AGI – in Bezug auf ihre wohlwollende Beziehung zur Spezies Homo sapiens (uns) – nicht garantiert. Weswegen wohl der Vatikan jüngst vor ihr warnte und sogar vom “Schatten des Bösen” sprach.
Die zurzeit entscheidendsten Aspekte sind, dass für die Nutzung weltweit kein VPN benötigt wird, keine Bezahlschranken für “bessere Versionen” existieren und alle Funktionen innerhalb einer universellen Benutzeroberfläche, unter einem einzigen Link, verfügbar sind.
Chinas KI-Sensation: Wer steckt hinter DeepSeek?
Zurück zum chinesischen Neujahrsfest. Der vergangene Monat Pekings kann sich tatsächlich blicken lassen. Ein Kampfjet der neuesten Generation absolvierte seinen Jungfernflug. Es wurden eine Billion US-Dollar an Außenhandelsüberschüssen erwirtschaftet. Während Berlin “immer noch nicht weiß”, wer wirklich Nord Stream gesprengt hat, brach Chinas künstliche Sonne den Fusionsrekord, indem es eine Temperatur von 100 Millionen Grad Celsius erreichte. Ganz zu schweigen von der im Jahr 2024 von der Volksrepublik erreichten Rekordkapazität an Wind- und Solarenergie: Eine Gesamtmenge von 3,348 Gigawatt wurde überschritten.
Das erwähnte DeepSeek-Projekt erblickte das Licht der Welt und zwang die US-Tech-Giganten mit mehr als einer Billion US-Dollar an Verlusten in die Knie. Chinas erste Trainingsbasis für humanoide Roboter wird in Shanghai eröffnet, was sicherlich auch Elon Musk und seine Investoren hinter den Kulissen hellhörig stimmt. Ja, das alles lässt sich immer noch nicht messen mit Baerbocks feministischer Außenpolitik im Gazastreifen und der Ukraine oder mit den Kinderbuchlesungen vom Wirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck.
Es läuft somit – die böse Zunge wieder beiseitelegend – gerade ein neues Wettrüsten zwischen Ost und West, welches den meisten Leuten in ihrer Tragweite noch nicht bewusst ist. Die 500 Milliarden US-Dollar an Staatsbudget, die der neue US-Präsident Donald Trump für die Entwicklung von Artificial General Intelligence (AGI) verordnet hat, kommen nicht von ungefähr. Alle US-amerikanischen IT-Riesen, deren Aktienwerte wegen der Chinesen gerade permanent bluten, sind in das monumentale Projekt involviert. Die Finanzmittel stellen das Doppelte von dem dar, was die USA für ihr (heute immer noch zu wenig studiertes) Apollo-Programm insgesamt und inflationsbereinigt in den Jahren von 1961 bis 1972 ausgegeben haben.
Gemessen daran, wie Menschen aller Altersklassen mit ihren mobilen Geräten immer mehr kostbare Lebenszeit im Internet statt draußen barfuß auf der grünen Wiese verbringen, wird die Fähigkeit einiger weniger Mächtiger, neue Wirklichkeiten für die Massen zu konstruieren oder zumindest die jeweils in einer geostrategischen Region bestehende Wirklichkeit zu augmentieren, exponentiell gesteigert. Ob nun Alibaba oder DeepSeek das “tiefe Trachten nach Fakten” ermöglichen oder nicht: Die unausweichliche Ära des Deepfakes ist längst angebrochen.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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