Analyse
Minsk befürchtet baldigen militärischen Angriff der NATO
Man braucht keinen IQ von 140, um das zu verstehen. Es sind einfachste, leicht erkennbare Tatsachen und Schlussfolgerungen. Einige der deutschen Kriegstreiber, Roderich Kiesewetter zum Beispiel, haben sogar schon überraschend offen die wahren Ziele der Expansion in den Osten bereits ausgeplaudert. Und doch läuft die Diskussion in Deutschland anders, und doch haben es die NATO-Propagandisten in deutschen Mainstreammedien geschafft, das Volk der Dichter und Denker in ihrem Sinne zu indoktrinieren.
Wie konnte das geschehen?
Ein Teil der Erklärung liegt im Zustand und dem Verhalten der deutschen Linken, womit ich dieses Mal nicht nur die längst unterwanderte Partei der Restlinken meine, sondern auch scheinbare Hoffnungsträger wie Sahra Wagenknecht und ihr Gefolge. Während es zu Beginn des Ersten Weltkriegs wenigstens noch einen Karl Liebknecht gab, der sich der Staatsräson und dem Staatsnarrativ entgegensetzte und erkannte, dass der Imperialismus zu Hause in Berlin residiert und bekämpft werden muss, sind heute nahezu alle Linken in Deutschland zu “Landes-” bzw. neumodisch “Demokratie- und Europaverteidigern” mutiert.
Dieses Mal ist niemand im Bundestag aufgestanden und hat das Offensichtliche zu Protokoll gegeben: “Die Imperialisten sind wir.” Ein historisch beispielloses Versagen derer, die es besser wissen könnten.
“The watchman he laid dreaming, the damage had been done. He dreamed the Titanic was sinking and he tried to tell someone.” (Bob Dylan)
Ich nenne es die “negative Gewährsfunktion” einer Opposition, und sie funktioniert so: Wenn ein kontroverses Thema auftritt, ein Ereignis, das noch nicht eindeutig eingeordnet ist, dann blickt die Öffentlichkeit auf die politischen Ränder. Kommt von dort nichts als Schweigen oder gar Bestätigung der offiziellen Propaganda, hat die alternative Interpretation, egal wie wahr und einleuchtend sie ist, keinerlei Chance mehr, sich gegen das staatstragende Narrativ durchzusetzen.
Natürlich folgt dem politischen Rand nicht jeder, wo und wenn er, der politische Rand, gegen den Mainstream ankämpft. Seinem Schweigen zum Narrativ, seiner Zustimmung gar, glaubt hingegen tatsächlich jeder: Anhänger wie erbittertste Gegner. Man hat sich eben beim Extrem vergewissert, und damit ist die Meinung zementiert.
Ich habe es im Frühjahr 2014 in zahlreichen Diskussionen erlebt. Sobald ich darauf hinwies, dass die rechtsradikale Partei Swoboda eine tragende Kraft der neuen Pro-Maidan-Regierung ist, kam mehr als einmal die Antwort:
“Wenn es so wäre, dann hätte deine Linke doch Wind gemacht.”
Es war wahr, Swoboda stellte mehrere Minister, sie übernahm die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine, sie bestimmte in erheblichem Maß den öffentlichen Diskurs und die Politik in Kiew mit, infiltrierte Polizei und Militär. Doch die Wahrheit hatte keine Chance und wurde fortan als “russische Propaganda” verleumdet und rundum abgewiesen. Denn ebenso wahr war, dass die organisierte deutsche Linke keinen Wind machte. Sie schwieg dort, wo man von ihr Protest erwartet hatte, und die kurzzeitig besorgte Öffentlichkeit lehnte sich zurück: Alles in Ordnung, nicht einmal die üblichen Verdächtigen schlagen Alarm.
Meinung
“Russische Desinformation”, bayrische Netzanalphabeten und die Meinungsfreiheit
So schränkten die “prorussischen Extremisten” der Linken damals den Rahmen des Zulässigen im öffentlichen Diskurs ein, und die Frage muss bis zur Öffnung geheimdienstlicher Archive unbeantwortet bleiben, ob sie es bewusst taten oder dies Nachlässigkeit war. Die erste offen und klassisch faschistische Machtergreifung in Europa seit Jahrzehnten haben sie mindestens verpennt, vielleicht sogar bewusst “durchgewunken”.
Genauso schränkt die “radikale” und “prorussische” Linke seit Februar 2022 die Grenzen des Zulässigen im öffentlichen Diskurs über den Ukraine-Krieg ein. Statt die russische Rechtfertigung wenigstens mit offenem Geist in Erwägung zu ziehen (haben Angeklagte kein Recht auf rechtliches Gehör mehr?), plappert jeder ehemals und jeder immer noch linke Abgeordnete gebetsmühlenartig bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die amtlich genehmigten Formeln vom “nicht provozierten, völkerrechtswidrigen, brutalen russischen Angriffskrieg” nach und legt Schwüre ab, dass er diesen entschieden verurteilt.
Versuchen Sie mal heute, zu sagen, sie sehen Russland im Recht. Nicht nur, dass Sie dann den Staatsanwalt am Hals haben, das auch. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, als Antwort zu hören:
“Aber selbst die Wagenknecht nennt es doch einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.”
Da hilft es Ihnen dann auch nicht mehr, dass Sie und nicht Sahra Wagenknecht Völkerrecht studiert haben.
Meinung
Farbangriff auf Wagenknecht – nicht halb unschuldig
Bei genauerem Hinsehen ist es übrigens Nazismus reinsten Wassers: Denn die Linken jeder Couleur sprechen dem russischen Volk in Gesamtrussland nicht nur das Recht auf präemptive Selbstverteidigung gegen die sehr wahrscheinliche künftige Vernichtung durch die NATO ab (gewiss würden sie sich dann zu ein paar Friedensdemos versammeln und um die Ausgelöschten trauern, aber was hülfe das?), nicht nur dem russischen Volk des Donbass das Recht auf Selbstbestimmung und auf völlig klassische und unmittelbare Selbstverteidigung gegen den seit 2014 andauernden Dauerbeschuss durch das ukrainische Militär, sie sprechen dem russischen Volk sogar das Recht ab, eine Stimme zu haben und gehört zu werden. Und sagen Sie mir nicht, dass das nicht ethnisch motiviert ist: Bei keinem anderen Volk, nicht einmal bei den Palästinensern, verhält sich die gesamte deutsche Linke geschlossen so.
Neulich, am Wahlsonntag in Thüringen und Sachsen, stand Wagenknecht vor den Kameras und stimmte das altbekannte Lied vom “völkerrechtswidrigen, nicht provozierten, brutalen russischen Angriffskrieg” an. Sie meinte wieder mal, dass es Putin war, der den Krieg begonnen hat. Den Krieg, den in Wahrheit im April 2014 der selbst ernannte Staatschef der Ukraine Alexander Turtschinow begonnen hatte. Mir ist es mittlerweile egal, ob dies Lernunfähigkeit oder Lernunwilligkeit geschuldet ist. Beides sind keine Tugenden: Ignoranz und Arroganz. Und Feigheit ist von allen menschlichen Schwächen laut Michail Bulgakow ohnehin die schlimmste.
Die Wahlergebnisse des Bündnisses gleichen Namens sind Ausdruck einer tiefen Sehnsucht nach einer echten linken Partei in Deutschland. Darüber kann man sich freuen. Aber kommt mir nicht mehr mit Wagenknecht. Auch sie wird nur enttäuschen. Mich früher, andere später.
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