“Eine friedliche Lösung finden” – Lula überrumpelt Scholz mit Friedensinitiative für Ukraine
Was den Rahmen gänzlich sprengte, war das Ersuchen von Scholz, dass Lula Munition in die Ukraine schickt. Lula wies das öffentlich und deutlich zurück. In seiner scharfsinnigen Art forderte er dagegen, dass mehr von “Frieden” gesprochen werden und eine Verhandlungsgruppe geschaffen werden sollte, der Deutschland, Frankreich und “chinesische Freunde, die eine wichtige Rolle spielen können”, angehören.
Dieses Ersuchen um Munition aus Brasilien für den Krieg in Europa ist ein Akt der politischen Entfremdung oder der Unredlichkeit von Scholz, wenn man bedenkt, dass einer der Hauptpunkte auf der Tagesordnung der gemeinsame Kampf gegen den Aufstieg der Ultrarechten ist.
Die Länder, die nicht an diesem Krieg beteiligt sind, hatten es im Gegensatz zu Deutschland nicht nötig, die Propagandamaschine zu füttern, indem sie das Wissen über das Ausmaß der Neonazi-Gruppen in der Ukraine (die die gelieferten Waffen ebenfalls bekommen) gezielt unterdrückten. Aber darüber hinaus erkennen wir, dass sie Teil des ukrainischen Staatsapparates sind. Wir belügen uns nicht selbst und sind in der Lage, die Realität zu erfassen.
Es ist keine strittige Sache, dass die Ukraine Neonazi-Milizen auf der Gehaltsliste der Regierung hat, die als Teil ihrer regulären Armee agieren und Zivilisten töten, wobei sie Folter als Methode einsetzen, russische Minderheiten seit mehr als acht Jahren terrorisieren und einen Bürgerkrieg im Donbass entfesselten. Wie viel näher kann man 1933 kommen?
Nicht zuletzt haben die USA, mehrere europäische Länder und die Europäische Union Neonazi-Milizen in der Region finanziert. Die britische Regierung hat sie sogar ausgebildet. Ein alter Modus Operandi, denn sie sind die rücksichtslosesten, um den Feind zu schlagen. Ob Russland das Recht hat, einzumarschieren, ist eine andere Sache und schließt die Aufnahme von Friedensverhandlungen nicht aus.
Scholz schien auch das Umfeld, in dem er sich befand, nicht zu erfassen. Historisch haben die brasilianische Arbeiterpartei PT und die lateinamerikanische Linke die Einmischung der USA im Ostblock und ihre Behauptung, dieser sei eine “Zone des amerikanischen Einflusses”, immer kritisiert.
Auf den Seiten der gemeinsamen Geschichte dieses Subkontinents ist es mit Blut geschrieben und auch in der aktuellen Welle justizieller Kriege deutlich, wie die USA ihr eigenes internationales Recht schaffen und bilaterale Abkommen aushebeln. Mit Russland war es nicht anders, seit der zweiten Bush-Regierung wurde jeder einzelne der diplomatischen Verträge, die das Ende des Kalten Krieges garantierten, von den USA einseitig aufgekündigt.
Hier ist man sich sehr bewusst, dass Selenskij das Produkt einer Regierung ist, die in einer Farbrevolution (Staatsstreich) unter der Führung der neoliberalen “Neokonservativen” der USA gebildet wurde und als verlängerte Interessenvertretung der USA im Ostblock fungiert. Die brasilianische Linke hat die direkte Beteiligung des Justiz- und des Außenministeriums der USA in den parlamentarischen Putsch gegen Dilma Rousseff nicht vergessen und dass die Verhaftung Lulas ein Geschenk der CIA war. Das ist kein historischer Zufall oder Zeitgeist, das ist US-Staatspolitik.
Meinung
Pressekonferenz mit Scholz: Brasiliens Lula lässt die Luft aus der deutschen Blase
Scholz war demütigend in seiner Arroganz, da er die neue Position von Ländern wie Brasilien in der Welt und die weniger komfortable Position Deutschlands und der Nationen, die sich bisher auf den Mythos der Hegemonie stützten, ignorierte. Die neuen geopolitischen Realitäten stützen den Kult der hegemonialen Ideen der sogenannten “westlichen Welt” (des kollektiven Westens) nicht mehr.
Und obwohl Gesellschaften, die seit Jahrhunderten auf den Pfeilern der Ausbeutung gegründet und in der Vorstellung von kultureller Überlegenheit verhaftet sind, darauf beharren, diese Rolle und den Kalten Krieg mit Russland fortzusetzen, zeigt die Realität bereits, dass die kulturelle Ignoranz und die Herrschsucht dieser Nationen nicht sehr viel Rückhalt oder Einfluss haben. Sie sind nicht mehr die Herren und die anderen sind nicht mehr die Sklaven. Das Schachbrett der alten Mächte ist zusammengebrochen.
In diesem Kontext ist Lulas Diskurs ausgezeichnet, wenn er den Multilateralismus als Realität einführt, wenn er erklärt, dass die Vereinten Nationen nicht mehr der politischen Realität entsprechen und anachronistisch agieren, als gäbe es einen Kalten Krieg. Und dass Brasilien und die afrikanischen Länder sich an einem Weltsicherheitssystem der UNO beteiligen wollen. Er kündigt neue Rollen an.
Diese Botschaft scheint einfach, aber für mich trifft sie den Kern dieses Krieges und der neuen Realität, die wir aufbauen; eine Realität, die den Kalten Krieg und seine internationalen Mechanismen begräbt und die Herausbildung einer neuen Weltordnung aufzeigt. Lula hat die imperialistische und von neoliberalen Ideen vereinnahmte Linke Europas entlarvt. Scholz kann von Lula lernen, die Chance bleibt bestehen.
Übersetzt von Olga Espín.
Sara Vivacqua ist Anwältin im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais.
Quelle