Meinung
Informationskrieg mit dem Westen: China enthüllt eine neue und überraschende Waffe
Wichtig zu beachten ist, dass die führenden Staaten der Gegenwart – die USA, Russland, China und Indien – nicht nah beieinander liegen, was die Werte und das Verständnis der Grundprinzipien internationaler Regeln angeht. Das größte Problem war bisher das Verhalten der USA und einiger westeuropäischer Länder, die aus innenpolitischen Gründen eine aggressive Politik nach außen verfolgen. Diese Staaten haben einen sehr beunruhigenden Weg qualitativer Veränderungen in grundlegenden Fragen eingeschlagen, was die sozialen, geschlechtsspezifischen und folglich politischen Strukturen jeder Gesellschaft betrifft. Für die meisten anderen Zivilisationen ist dieser Weg eine Herausforderung und wird wohl abgelehnt werden.
Wir wissen auch nicht, inwieweit die innere Entwicklung des Westens – wie in früheren Perioden – von der Verbreitung seiner Ideale abhängt. Für den Fall, dass im Westen jetzt aufkommenden Trends – wie etwa die Französische Revolution, der Bolschewismus oder der Faschismus – nicht nur die Anerkennung von anderen, sondern eine globale Expansion bewirken werden, wird die Zukunft sehr besorgniserregend. Wir können bereits jetzt sehen, dass der Konflikt zwischen den vom Westen bevorzugten Werten und den Werten einer Reihe von nicht-westlichen Staaten, zur Verschärfung in den außenpolitischen Beziehungen führt.
Es wäre jedoch ein Fehler zu hoffen, dass die anderen Groß- und Mittelmächte, die dem Westen gegenüberstehen, in ihrem Verständnis für die Grundlagen der Gerechtigkeit völlig einig sind. Auch wenn Russland, Indien, China oder Brasilien mittlerweile ein gemeinsames Verständnis für die Grundprinzipien einer “richtigen” Weltordnung zeigen, so heißt das noch nicht, dass sie die gleiche Vision einer besseren Ordnung teilen. Dies gilt umso mehr für die Staaten der islamischen Welt und andere große Entwicklungsländer. Ihre konservativen Werte stehen oft im Konflikt mit denen des Westens, was jedoch nicht bedeutet, dass sie untereinander eine Einheit bilden.
Mit anderen Worten, die neue internationale Ordnung wird zum ersten Mal ohne verlässliche Verbindung zwischen den eigenen Ambitionen der führenden Mächte sein. Und dies ist in der Tat eine qualitative Veränderung, im Vergleich zu allen von uns besprochenen historischen Epochen. Ein solches Phänomen erscheint sehr wichtig, weil wir keine Erfahrung damit haben zu verstehen, wie sich die Beziehungen zwischen Staaten unter solchen Bedingungen entwickeln werden. Rohe Gewalt könnte die einzige relativ greifbare Grundlage für die Durchsetzung der neuen internationalen Ordnung werden, aber dies reicht möglicherweise nicht aus, um die von ihr auferlegten Bedingungen nachhaltig oder auch nur kurzfristig zu gestalten.
Ein weiteres einzigartiges Merkmal der heutigen revolutionären Situation ist, dass die Revision der internationalen Ordnung nicht von einer oder einigen wenigen Mächten vorangetrieben wird – sie ist nun eine Angelegenheit der Mehrheit der ganzen Menschheit geworden. Die Länder, die etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, sind auf die eine oder andere Weise nicht mehr bereit, unter Bedingungen zu leben, die ohne ihre direkte Beteiligung geschaffen wurden. Allerdings wird ihr Widerstand oft ohne klare Forderungen geäußert und hängt von den Fähigkeiten zur Machtausübung der jeweiligen Staaten ab. Was aus Sicht von Russland oder Iran wie mangelnde Entschlossenheit im Umgang mit den USA aussieht, mag für Kasachstan oder ein anderes, relativ junges souveränes Land, wie eine große Herausforderung erscheinen – schließlich wurde ihr gesamtes sozioökonomisches System unter Bedingungen quasikolonialer Ausbeutung geschaffen.
Analyse
Die USA nutzen Afrika als Steigbügelhalter gegen China
Die fragilen Staaten Afrikas oder des ehemaligen sowjetischen Raums sind weit weniger in der Lage, sich so konsequent wie die prosperierenden Monarchien am Persischen Golf zu verhalten. Selbst China, mittlerweile die zweitstärkste Wirtschaftsmacht, ist sich seiner Schwächen bewusst. Aber all das ändert nichts am Wichtigsten: Auch wenn die Zerstörung des bestehenden Status quo eher durch eine weiche Zersetzung als durch eine entschlossene Militäraktion erfolgt, spiegelt sie nicht einfach eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem westlichen Autoritarismus wider, sondern schafft eine neue Ordnung. Und deren Grundzüge sind noch immer unbestimmt.
In den kommenden Jahren werden die meisten Länder der Welt versuchen, im eigenen Interesse das Beste aus der Schwächung der bisherigen Machtbasis in der internationalen Politik zu machen. Bisher stellen diese Aktionen einen konstruktiven Konflikt dar, da sie objektiv ein System untergraben, das auf unglaublicher Ungerechtigkeit basiert. Mit der Zeit jedoch wird der Block USA-EU schwächer werden und sich selbst isolieren, während Russland oder China niemals stark genug sein werden, um diese Machtposition zu übernehmen. Und in der Perspektive der nächsten 10 bis 15 Jahre wird die internationale Gemeinschaft vor dem Problem stehen, das Machtmonopol des Westens durch neue universelle Zwangsinstrumente zu ersetzen, deren Art und Inhalt uns bisher noch unbekannt sind.
Übersetzt aus dem Englischen .
Timofei Bordatschew ist Programmdirektor beim Waldai-Club. Als Forscher ist er auf internationale Beziehungen und aktuelle Fragen der Weltpolitik sowie auf die russisch-europäischen Beziehungen spezialisiert.
Quelle