Habeck zuversichtlich: Keine neue Finanzkrise durch Bankrott der Silicon Valley Bank
Der Elefant im Raum: Schulden und Verschuldung
Seit dem Zeitraum der US-Bankenkrise 2008, hatte man etwa 12 Jahre lang einen zentral veranlassten Zinssatz von 0,00 Prozent, was bedeutet, dass die Welt mehr als ein Jahrzehnt lang kostenlos Geld geliehen hat. Dadurch sind die Schulden der Staaten weltweit drastisch gestiegen. Mit dieser wachsenden Staatsverschuldung und der andauernden Gelddruckerei, die ab kurz vor der Coronakrise 2020 plötzlich ins Absurde getrieben wurde, verstärkte sich der allgemeine Trend der vorsätzlichen Währungsabwertung sogar noch mehr.
Vor einem Jahr, ab März 2022, begann die US-Fed die Zinsrate innerhalb kürzester Zeit von null auf 4 Prozent und darüber hinaus zu erhöhen – eine der rasantesten Leitzinserhöhungen in der Geschichte. Plötzlich kostete das Leihen von Geld wieder ein Vermögen. Die Inflation, die der Staat damit zu bekämpfen versprach, zeigte sich unbeeindruckt. Dafür aber wurde für den privaten Finanzsektor das Spekulieren mit und Kreieren von hybriden, “neuen Finanzprodukten” umso riskanter.
Zu diesen obskuren Finanzprodukten gehören auch die im obigen FINMA-Zitat erwähnten AT1-Anleihen, die ausgeschrieben so lauten: “Additional-Tier-1-Anleihen”, auch genannt “CoCo-Anleihen” (aus dem Englischen: “Contingent Convertible Bonds”). Dieses Anlageninstrument wurde im Ausklang der Finanzkrise 2008 konzipiert und die Credit Suisse war eine der weltweit größten Inhaberinnen. Große Finanzinstitute, die in Liquiditätsprobleme geraten, können diese AT1-Anlagen als “zusätzliches Kernkapital” aktivieren. Laut der offiziellen Absichtserklärung der staatlichen Erfinder der “AT1-Bonds” sollte verhindert werden, dass die herkömmlichen Steuerzahler in der Zukunft für auftretende, kolossale Bankpleiten aufkommen müssen, wie es 2008 der Fall war.
Das vermeintlich “gesunde Wirtschaftswachstum”, auf das sich stets die staatlich sanktionierten Wirtschaftsexperten berufen, um zu erläutern, dass es nichts zu befürchten gibt, wurde fast ausschließlich durch eine – eine Dekade dauernde – Nullzinsrate ermöglicht. So wurden die Finanzinstitutionen aller Welt von “billigem Geld” abhängig gemacht.
In den Massenmedien wird die steigende Inflation die ganze Zeit wie ein singuläres Mantra gepredigt. Die simultan dazu gestiegene und weiter steigende Staatsverschuldung wurden hingegen, mit nur wenigen Ausnahmen, verschwiegen. Die monetären Hohepriester der Zentralbanken der Welt müssten sich hinter verschlossenen Türen beraten haben, welches Problem – Verschuldung oder Inflation – sie lösen werden. Beide können sie nicht lösen. Sie entschieden sich für den zum Scheitern verurteilten Versuch, das Erstere zu schlichten.
Es gilt noch eines hinzuzufügen: die Feindseligkeiten, die Washington D.C. gegenüber dem Rivalen China ins geradezu Unzumutbare zu treiben sich entschieden hat, könnten, außer Krieg, noch andere drastische Folgen nach sich ziehen.
Nämlich ist China – mit Japan – der größte Inhaber von US-Staatsanleihen in der Reservewährung US-Dollar.
Anleihen sind eigentlich Schuldverschreibungen eines Staates – in diesem Fall der USA. Bisher war gang und gäbe, dass die USA einem Land eine lukrative “Aufwandsentschädigung” in US-Dollar dafür zahlten, dass die andere Nation die US-Schulden in seinem eigenen Haushalt aufbewahrte. Würden diese US-Staatsanleihen durch einen großen Ausverkauf unverblümt zurück in die Heimat gespült werden, würde es das Inflationsproblem und das Verschuldungsproblem um eine ganz neue Ebene verschlimmern.
Wir erinnern uns auch an die Stimmung im Januar 2022. Hypothesen und Warnungen von unabhängigen Finanzexperten erwähnten den Begriff der “Superblase”, der zu dem Zeitpunkt bereits in verschiedenen Sektoren verifizierbar war – nur die Symptome waren zu der Zeit erst noch auf dem Weg. Nun sind sie da. Die damaligen Aussagen kamen vom britischen Ökonom Jeremy Grantham, der in dem Moment noch nicht wissen konnte, dass die US-Fed als kosmetische, kurzfristige Lösung, den Leitzins innerhalb von 12 Monaten von null auf fünf Prozent nach oben schießen lassen würde. Am 9. März 2023 äußerte sich Grantham mit dem heutigen Wissensstand erneut und sieht die Inflation auf lange Sicht als verheerendes Problem. Er sieht im Westen den Arbeitsmarkt stark betroffen und skizziert ein tragisches Defizit von Rohstoffen wie Lithium, die unbedingt vonnöten sind, um die moderne Wirtschaft überhaupt weiter im aktiven Betrieb zu halten.
Größter US-Spender 2022 ist Bill Gates: 5,1 Milliarden Dollar an seine eigene Stiftung
Systemische “Katharsis”
Oder besser umschrieben “systemische Synthese”, da “Katharsis” als Ausklang eines dramatischen Prozesses der Transformation eher positiv konnotiert sein müsste. Es wird zwar später in den Leitmedien als rettende “Katharsis” dargestellt, aber das neue System wird weit weg sein von “positiven Konnotationen” – wie bürgerliche Freiheit und (finanzielle) Selbstbestimmung, Rede-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Als der ehemalige US-Präsident Barack Obama einst behauptete, dass der Globalisierungsprozess des “weltweiten Finanz- und Wirtschaftssystems” bereits abgeschlossen sei, hatte er Unrecht. Ein zentralisiertes, supranationales System ist erst jetzt im Begriff sich zu formen, aber nicht einheitlich auf die ganze Erde gespannt. Die multipolaren Ambitionen von Nationen wie China, Russland, Iran, Indien oder auch Saudi-Arabien sprechen für mehrere Epizentren dieses neuen Systems, in denen starke, zivilgesellschaftliche und kulturelle Unterschiede herrschen werden sowie konserviert und erhalten bleiben. Kein einzelnes Land wird die Bedingungen alleine zu diktieren imstande sein. Eine schmerzhafte Einsicht für und ganz zum Missfallen von den neoliberalen und neokonservativen US-Eliten. Selbst der weiter oben erwähnte Schweizer Credit Suisse-Frontmann Lehmann erklärte auf dem diesjährigen WEF, dass aufgrund der mehrschichtigen Krisensituation eine “multipolare Welt” zu antizipieren sei. Aussagen eines hohen Partizipanten des klassisch-westlichen Bankengerüsts häufen die Indizien, dass es sich eigentlich um eine “kontrollierte Sprengung” des alten, westlich dominierten Finanzsystems handelt.
Die These lautet, dass das Bankensystem der letzten 100 Jahre ausgezeichnet sei, aber leichte Strukturschwächen hätte, die immer mal wieder den Frieden und das Wirtschaftswachstum störten – diese manifestierten sich als chaotische, weitgehend impersonelle “Bankenkrisen”, für die niemand grundsätzlich etwas konnte. Gesichtern bedarf es dennoch. Die Antithese wurde angeheftet an einige wenige Sündenböcke, die als Verantwortliche medienwirksam zum Opferaltar geführt wurden. So wurde in der Vergangenheit in den mittleren Führungsebenen etwas gesäubert und ein paar Banken übernommen. Heute kommt in diese Liste der vermeintlichen “Übeltäter” noch die vom Staat nicht ganz regulierte Sphäre der Kryptowährungen hinzu. Aber das zugrundeliegende Zentralbankensystem selbst florierte weiter und wäre völlig immun gegen jede Reform oder auch nur Kritik vonseiten der Regierung oder der Massenmedien gewesen, wenn es überhaupt jemals welche aus diesen beiden Richtungen gegeben hätte.
Die lang ersehnte und langfristig angelegte Synthese soll dann ein vollkommen digitalisiertes, zentralisiertes Geldsystem sein, das in seinem Umfang und in seiner Durchdringung so gründlich sein muss, dass der im Vorhinein stattzufindende Flächenbrand nur papierartige und digitale Asche zurücklassen darf. Aus diesen Fetzen und Flocken wird ein vollkommen digitales System aus der Woge emporgehievt, in dem jeder Kauf, jeder Verkauf, jede Transaktion den Machthabern bekannt ist, digital verewigt wird und politisch eingeschätzt, eingestuft, geahndet, sanktioniert oder belohnt werden wird.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, wo man noch mehr von ihm lesen kann.
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