Antifaschist Thälmann als Wegbereiter Hitlers? Berliner DKP protestiert gegen Geschichtsklitterung
Diese Erklärungen wirken aber nachgeschoben, denn noch am Samstag, in der ersten Meldung der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) , lautete die polizeiliche Stellungnahme noch anders. Ob ein politisch motivierter Hintergrund vorlag, sei bisher noch unklar, sagte Polizeisprecherin Ines Filohn auf MAZ -Nachfrage am Samstag. Ein Bekennerschreiben habe es nicht gegeben. Die Polizei habe am Freitag dabei unterstützt, die Friedhofsordnung durchzusetzen. Die Aktion sei aber keine Störung der Totenruhe gewesen.
Doch die Bürger sahen das anders. In Kommentarspalten auf sozialen Medien äußerten auch viele Bewohner Brandenburgs Unverständnis, die im Vorgehen eine Pietätlosigkeit und Störung der Totenruhe sahen, aber auch Verwunderung darüber äußerten, ob die Polizei denn nichts Besseres zu tun habe, als Grabkerzen abzuräumen. Die AfD Brandenburg wertete die Räumung der Grablichter als Kulturbruch, der Ex-AfD-Politiker Georg Pazderski fand sie “erbärmlich” und der AfD-nahe Jurist Gerhard Vierfuß zitierte Perikles auf X: “Die Kultur eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Toten umgeht.”
“Entsetzt” über den Polizeiaktivismus zeigten sich aber vor allem die Kerzenaufsteller selbst. Behörden und Sicherheitskräfte hätten gegen die Grundsätze von Moral und Anstand verstoßen. Sie machten gegenüber der Presse noch einmal klar, dass es ihnen “um ein würdiges Gedenken an Soldaten und an zivile Opfer, nicht um Politik geht”.
Personelle Verbindungen der Initiatoren zu rechtsextremen Gruppen konnten via Internetsuche nicht nachgewiesen werden. Auf den Kanälen von “Heimat”, der Jungen Nationalisten und weiterer Gruppierungen, die Rechtsextremisten nahestehen, finden sich Beiträge zu Halbe – jedoch erst nach der Räumungsaktion der Polizei. Allerdings haben die “Jungen Nationalisten” die Initiative als “stellvertretend” ausdrücklich gelobt. “Pünktlich zur längsten Nacht des Jahres, der Wintersonnenwende, versammelten sich Aktivisten in Halbe (Brandenburg), um stellvertretend für uns alle ehrfurchtsvoll unserer Altvorderen zu gedenken”, schrieb der Telegram-Kanal der Gruppe.
Die Zeitung Junge Freiheit (JF) sprach mit dem Mann, der hinter der Gruppe steht. Sein Name sei der Redaktion bekannt, er habe sie aber darum gebeten, ihn nicht zu veröffentlichen, weil er befürchte, wegen der Aktion in die rechte Ecke gestellt zu werden. Der Mann habe die Tradition aus anderen Ländern übernommen, wo es normal sei, auf diese Weise der Vorfahren zu gedenken. Auch wenn die Lichter nun entfernt worden seien, freue er sich, dass sie wenigstens sechs Tage geleuchtet hätten. Für die batteriebetriebene Variante habe man sich entschieden, damit Windböen die Kerzen nicht ausblasen, so die JF .
Meinung Achten die Deutschen ihre Denkmäler nicht mehr?
Die Facebook-Gruppe “Deutschlands Kriege und seine Soldaten 1813-1945” ist deutschlandweit bekannt und hat 85.000 Follower. Beim Betrachten der von ihr geposteten Fotos wird jedem Russen recht mulmig. Es wimmelt nur so von Ritterkreuzen, Reichsadlern und anderen Insignien der Wehrmacht. Auch wenn es in der Gruppe nur um das Totengedenken geht, wirkt diese Distanzlosigkeit zumindest befremdlich.
Aber auch in Russland gibt es deutsche Soldatenfriedhöfe. Die dort begrabenen Männer gelten als im Krieg Gefallene. Sie sind in gewissem Sinne ebenfalls Opfer des Krieges, denn die meisten von ihnen haben sich nicht freiwillig in diesen verbrecherischen Feldzug begeben. Und alle haben in der Heimat ihre Familien hinterlassen, die ein natürliches Recht auf Gedenken an ihre Vorfahren haben. Und heute, etwa 80 Jahren nach ihrem Tod, mahnen sie auch die Nachkommen. So meint es zumindest der anonym gebliebene Administrator der Gruppe. Durch das Lichtermeer in Halbe schreitend sagte er:
“Diese Lichter, diese Kerzen sind ihr letztes Zeichen. Irgendwo ist es auch ihre Stimme, die noch einmal an sie erinnern und vor allem mahnen soll.”
Auch wenn die Uniform, die sie vor ihrem Ableben trugen, für mich nach wie vor gruselig ist, sollen diese Toten lieber vor dem Krieg mahnen, statt der ehrlosen Vergessenheit anheimzufallen. Denn die wichtigste Frage der deutschen Politik lautet heute: Wer posaunt, wir müssten kriegstüchtig werden? Wer trommelt unter glatt klingenden Vorwänden für Krieg gegen Russland, das in der Ukraine “auf keinen Fall” siegen darf? Meine Vermutung lautet: Das sind wohl nicht die Menschen, die solche Grabkerzen aufstellen. Das sind diejenigen, die von ihrer hohen Kanzel ‒ wohl wissend, was links und was rechts ist, wer ein “Demokrat” ist und wer ein “Tyrann” ‒ nur neue Konflikte schüren. Denn sie scheinen wohl für sich zu wissen, wer als “gut” gelten darf und wer als “böse” mit Propaganda und Krieg bekämpft werden muss.
Und zuletzt eine Nachricht, die das Erinnerungsdrama von Halbe und Spremberg beendet ‒ zumindest vorerst, bevor es pünktlich zum 80. Jahrestag des Dresdners Bombardements womöglich wieder entflammt werden könnte. Der Polizeisprecher entschuldigte sich für den Einsatz auf dem Waldfriedhof Halbe. “Es tut uns leid, dass wir auch die Kerzen entfernt haben, die berechtigt aufgestellt wurden”, sagte er am Montag. Er bat aber zugleich um Verständnis. Es habe sich nicht unterscheiden lassen, welche Kerzen zur “nicht erlaubten Versammlung” gehörten. Deshalb seien alle entfernt worden. Die Kerzen, sofern sie noch intakt sind, könnten von den Organisatoren abgeholt werden.
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