Deutschland

Flieht auch der Verfassungsschutz zu WhatsApp? “Russland-Toolbox” erntet auf X Spott und Kritik

Flieht auch der Verfassungsschutz zu WhatsApp? "Russland-Toolbox" erntet auf X Spott und Kritik

Von Wladislaw Sankin

Am Tag, als das Verteidigungsministerium (BMVg) seinen X-Account mit fast 190.000 Abonnenten bis auf Weiteres stillgelegt hat, postete das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf der Plattform die sogenannte “Russland-Toolbox”. Die im Stile einer Schüler-Wandzeitung gehaltene Grafik sollte die russische Bedrohung für die westlichen Demokratien und speziell für Deutschland anschaulich machen. Die Behörde teilte zum Bild mit: 

“Unsere aktualisierte #BfV_Bund “Toolbox Russland” informiert über die strategischen Methoden Russlands und seiner Nachrichtendienste gegen Deutschland und andere westliche Demokratien. Sie macht die vielschichtige #Bedrohungslage sichtbar.”

Auf der rechten Seite war Russland als staatlich kontrolliertes einheitliches System abgebildet, das Oppositionelle inhaftiert oder tötet und (“vermeintliche”) Feinde Russlands mit Anschlägen und Angriffen bekämpft. Die linke Seite nahm die Darstellung Deutschlands als Ziel vielfältiger russischer Aktivitäten ein.

Ein besonderer Platz war in der Grafik der russischen Spionage zugewiesen. Demzufolge ist Deutschland Tummelplatz russischer legaler, halblegaler und illegaler Spione und Saboteure. Auch versuche Russland auf seinem Territorium deutsche Reisende aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung “aggressiv” anzuwerben. Selbstverständlich durften auf der Collage Hacker- und Cyber-Angriffe nicht fehlen. Diesem Bereich waren ganze fünf Kästchen gewidmet. 

Im Übrigen sei Russland laut BfV dabei, Einfluss auf den öffentlichen Diskurs und den politischen Raum – gezieltes Aufgreifen von Themen mit Spaltungspotenzial – und cybergestützte Desinformationsoperationen im Informationsraum auszuüben. Unter dieser Aktivität dürfte auch das Verfassen dieses Artikels fallen. Also seien Sie bitte vorsichtig, liebe Leser! Und ja, es gibt auch “sonstige hybride Maßnahmen”. Diese sind: 

“Aufbau und Ausnutzung von Abhängigkeiten, um Demokratien zu destabilisieren, dazu zählen auch die Verknappung von Energie und die mögliche Ausnutzung von Migrationsströmen”. 

Dieser Logik zufolge waren Bau, Inbetriebnahme und anschließende Sprengung der Pipelines Nord Stream 1 und 2 ein listiger Plan der Russen, vom Kreml von langer Hand durchdacht und ausgeführt. Das Angebot des russischen Präsidenten an die Bundesregierung, zumindest die letzte intakt gebliebene Gas-Leitung für die Wiederaufnahme der Energielieferung in Betrieb zu setzen, gehört offenbar auch dazu – um die neuen Abhängigkeiten zu schaffen.  

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Nach Musks Kritik an Bundeskanzler: Verteidigungsministerium und Bundeswehr lassen X-Kanäle ruhen

Die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe bezüglich der Flüchtlingsströme verdeutlichte der Soziologe Gerald Knaus und Migrationslobbyist kürzlich bei Lanz, als er Russland die Durchführung von Terroranschlägen und Bombardierungen syrischer und ukrainischer Städte zur Erzeugung der Migrationsströme nach Deutschland und Österreich unterstellte. Damit Russlands “Freunde”, also die AfD und FPÖ, an die Macht kämen.

Nach dieser Logik stünden auch die NATO-Osterweiterung und die Entfachung des syrischen Bürgerkrieges im Jahre 2011 am Anfang eines hinterhältigen russischen Plans, an dessen Ende die Destabilisierung Deutschlands und des Westens steht. Laut dem IT-Spezialisten und Fachmann für KI-gestützte Desinformationskampagnen im Netz, Maxim Gärtner, sei die BfV-Grafik Nonsens. Auf unsere Anfrage erklärte er:

“Russland hat da nicht mal im Ansatz die Kapazitäten oder das Know-how, solche Aktivitäten zu steuern. Wenn, dann ist es klassische Aufklärung. Es macht auch keinen Sinn, da es kaum mehr Entwicklungen in Deutschland gibt, die wirklich signifikant sind.”

Aber wenn man die Kommentare unter dem Tweet des Bundesverfassungsschutzes ansieht, könnte man nun doch auf die Idee kommen, dass es die Russen gewesen sein müssen, die die Erstellung der Grafik und ihre Veröffentlichung auf X veranlasst haben, um dem BfV einen weiteren Grund zu liefern, im WhatsApp-Nirgendwo zu verschwinden, mit dem Ziel, die politische Kommunikation in Deutschland nachhaltig zu stören. Die Kommentare der User fielen jedenfalls fast einstimmig negativ aus (als “positiv” stachen vor allem Kommentare der NAFO-Trolle hervor).

Die Auswahl der meistgelikten Kommentare sieht wie folgt aus: 

“Schon ein Ereignis, wie die Sprengung von Nordstream, crasht die Russland-Toolbox. Nimmt man noch die subversiven Tätigkeiten des Westens in Moldau, in Georgien, die Annullierung der Wahlen in Rumänien u. weitere Ereignisse hinzu, wird schnell klar, wer anstelle von Russland dort stehen muss”. 

“Bezahlen wir nicht die Gates Stiftung mit 0,6 Mrd., damit sie genau das hier verdeckt macht, was wir RU immer vorwerfen?”

“Können Sie eigentlich noch was anderes als gegen Russland hetzen? Es soll ein Feindbild aufgebaut werden! Es reicht.”

“Anstatt Toolbox, wäre Märchen aus dem Paulaner Garten eine weit bessere Überschrift über diesem Unsinn! Wie weit sind die Ermittlungen zum Nordstream-Anschlag?”

Angesichts solcher Reaktionen ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch der BfV sich beklagt, dass ein “sachlicher Austausch auf X zunehmend erschwert” werde, und dem Beispiel ihrer BMfV-Kollegen folgend, in die Stille WhatsApps flieht. Dort können sie endlich mal ihre Fan-Community ohne nervende Kommentar-Funktion aufbauen. Bislang sind 2.700 Abonnenten umgezogen. 

Quelle

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