Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Matthias GränzdörferRobert Habeck bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in der Columbiahalle in Berlin, 08.02.2025 (Symbolbild)
Am Montag veröffentlichte der Plagiatsjäger Stefan Weber ein Gutachten mit 128 Plagiatsfällen über die Doktorarbeit des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck. Weber leitete seine Überprüfung mit folgenden Worten ein:
“Je genauer man hinsieht, desto mehr Abgründe entdeckt man: Selten traf dies so zu wie auf die fragwürdige Dissertation von Robert Habeck. Habeck hat auf geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat. Er hat dutzende Werke, die er zitiert hat, aus anderen, an Ort und Stelle ungenannten Quellen abgeschrieben und damit gegen eine wichtige Grundregel der Buchwissenschaften verstoßen. Er hat direkte Zitate mitplagiiert, und vor allem: Er hat auch Fließtext plagiiert. Eine Bestätigung eines Plagiierten, des deutschen Philosophen Günter Wohlfart, liegt vor.”
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Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hatte zuvor unveröffentlichte Vorwürfe gegen die Arbeit mit dem Titel “Die Natur der Literatur: zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität” von sich gewiesen. In einem Video auf X sagte Habeck, der Plagiatsjäger Stefan Weber beschäftige sich seit Jahren mit seiner Doktorarbeit. Bei den nun erhobenen “spezifischen Vorwürfen” gehe es nicht um Textplagiate, sondern um Ungenauigkeiten in den Fußnoten. Habeck sagte:
“Ich rechne damit, dass heute, wenige Tage vor der Bundestagswahl, Vorwürfe gegen meine Doktorarbeit, die ich vor 25 Jahren in Hamburg geschrieben habe, veröffentlicht werden”, erklärte Habeck auf X. “Ich habe mich entschieden, das Ganze transparent zu machen.” Er kenne die Vorwürfe und habe sie vorab prüfen lassen.
“Die Ombudsstelle der Universität Hamburg hat die Vorwürfe entkräftet und bestätigt, dass kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt”, teilte Habeck weiter mit. Zudem habe er den Präsidenten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug, um eine Einschätzung gebeten. “Auch er hat keine Zweifel an der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit.”
Offenbar steht auch die Doktorarbeit von Habecks Frau, Andrea Paluch, auf dem Prüfstein, wie Habeck weiter schreibt.
„Herr Habeck, Sie schwindeln.“ pic.twitter.com/uItErvACAm
— henning rosenbusch (@rosenbusch_) February 10, 2025
„Herr Habeck, Sie schwindeln.“ pic.twitter.com/uItErvACAm
— henning rosenbusch (@rosenbusch_) February 10, 2025
Weber schreibt auf X, dass der Prüfvorgang der Universität bereits abgeschlossen sei ‒ dies stimme allerdings nicht.
Das ist einmalig: Eine Universität und ein Klimatologe (!) entkräften Vorwürfe gegen Robert #Habeck, bevor deren wahres Ausmaß diesen überhaupt erst bekannt wurde. Nennt man das vorauseilenden Gehorsam?
— „Plagiatsjäger“ (@SprachPhilo) February 10, 2025
Die Ombudsstelle der Universität habe jedoch darauf hingewiesen, dass vor 25 Jahren, als Habeck die Doktorarbeit schrieb, Zitierregeln “zum Teil noch nicht in gleicher Weise definiert beziehungsweise formalisiert waren wie heute”. Deshalb habe sie empfohlen, einige Zitate und Fußnoten zu überarbeiten, damit sie den heutigen Regeln entsprechen. Diese Aussage ist durchaus politisch zu verstehen ‒ denn gerade in den Literatur- und Geisteswissenschaften haben sich die Zitierregeln eben nicht geändert, wie beispielsweise auch Prof. Dr. Stefan Homburg auf X schreibt:
Vor 25 Jahren war nichts anders als heute. Sage ich Ihnen als jemand, der vor 38 Jahren promoviert hat. Ein Plagiat ist und bleibt ein Plagiat, das verjährt nicht.
— Stefan Homburg (@SHomburg) February 10, 2025
2021 hatte Weber bereits Vorwürfe gegen die damalige Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erhoben. Dabei ging es um Baerbocks Buch “Jetzt. Wie wir unser Land erneuern”. Damals wie heute wird allerdings nichts passieren ‒ sowohl die grünen Funktionäre als auch ihre Wähler sind für Faktenresistenz bekannt. So mutmaßt Weber zu Beginn seiner Studie:
“Was wird geschehen? Wir kennen das Spiel bereits von Föderl-Schmid und anderen Plagiatoren: Da Habeck ein [Links-]Grüner ist, wird man sagen, dass der Plagiatsvorwurf unzutreffend sei. Oder dass das Abschreiben von Primärquellen aus an Ort und Stelle ungenannten Sekundärquellen in der Literaturwissenschaft ganz normal sei oder zumindest vor 25 Jahren Usus gewesen sei. Oder dass es eben in Dissertationen ganz normal sei. – Wer wird denn schon Hölderlin oder Novalis im Original lesen, als Literaturwissenschaftler?”
Dies scheint sich bereits am Montagnachmittag zu bestätigen. So geht beispielsweise weder die Deutsche Welle noch die Tagesschau auf nur einen der 128 Punkte aus Webers Gutachten ein.