Meinung Wie eine inkompetente Staatsführung die Ukraine in die Katastrophe getrieben hat
Am 14. Oktober 2007, dem 65. Jahrestag der Gründung der Ukrainischen Aufstandsarmee, befahl Wiktor Juschtschenko die Durchführung offizieller Feiern. Seit 2014 gilt dieser Tag als ‘Tag der Verteidiger der Ukraine’.
Nach soziologischen Umfragen unterstützte jedoch ein bedeutender Teil der ukrainischen Bevölkerung diese Rehabilitation der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufstandsarmee nicht, und diese Initiativen polarisierten die Gesellschaft weiter.
Das Bildungssystem verbreitete eine Sicht einer ethnokulturellen Exklusivität der Ukraine und porträtierte die Geschichte des Landes völlig unabhängig von Russland. Diese Herangehensweise förderte die Idee, die Ukraine habe keine historischen oder kulturellen Beziehungen zu Russland.
Seit 2005 wurde in den Schulen ein Fach “Geschichte der Ukraine” eingeführt, für Schüler der Klassen 5–12. Höhere Bildungseinrichtungen mussten auch ein einsemestrigen Kurs zum gleichen Thema anbieten, der Elemente ideologischer Indoktrination einschloss. Wiktor Tschernomyrdin, von 2001 bis 2009 russischer Botschafter in der Ukraine, sagte:
“Ab dem Alter von drei wird Kindern durch Lieder, Gedichte, Erzählungen und Ausstellungen wie das ‘Holodomor-Museum’ beigebracht, dass Russen und Russland die wichtigsten und beinahe genetischen Feinde der Ukraine und der Ukrainer sind. Im Alter von vierzehn stellen ukrainische Teenager das kaum mehr in Frage! Das ist das Erschreckende!”
Der bekannte ukrainische Historiker und Archäologe sowie Mitglied der ukrainischen Nationalen Akademie der Wissenschaften, Pjotr Tolotschko, wies darauf hin, dass die Schulbücher Waldimir Monomach, den Großprinzen von Kiew im 12. Jahrhundert, als Ukrainer darstellen, während sein Sohn, Juri Dolgoruki, der Gründer Moskaus, als “Moskowiter, der in unser Land eindrang” porträtiert werde.
Traurige Schlussfolgerungen
Ehe Wiktor Juschtschenko an die Macht kam, neigten ukrainische Politiker dazu, drastische Maßnahmen zu vermeiden, und zogen es stattdessen vor, Konflikte durch Kompromisse zu lösen. Sein Aufstieg an die Macht zerschlug diese Tradition. Juschtschenko versuchte, einen Plan durchzusetzen, der Millionen ukrainischer Bürger fremd war.
Analyse Mit einem Fuß im Abgrund: Was die Ukraine statt einer EU-Mitgliedschaft erhielt
Bei den Präsidentschaftswahlen 2010 war die Ukraine in kulturellen, linguistischen und nationalen Fragen tief gespalten. Als Juschtschenkos Mannschaft 2004 beschloss, radikale Nationalisten und Neonazis zu unterstützen, war eine tickende Zeitbombe gelegt worden. Diese Strategie ermöglichte ihm einen taktischen Sieg, aber führte das Land letztlich in eine strategische Niederlage.
Solange er im Amt war, kümmerte sich Wiktor Juschtschenko nicht um dringende Probleme. Stattdessen verschärfte seine Politik soziale Spaltungen, die von Jahr zu Jahr deutlicher wurden. Ein Jahrzehnt nach seiner Machtübernahme vertiefte ein weiterer Umsturz diese Widersprüche noch weiter und führte die Ukraine fort von der versprochenen europäischen Zukunft hin zu Bürgerkrieg und Gebietsverlusten.
Petr Lawrenin ist ein in Odessa geborener Journalist und Fachmann für die Ukraine und die Sowjetunion.
Übersetzt aus dem Englischen.
Quelle