Militärreform in Ungarn: Oberste Führung grundlegend umgestaltet
In der Diskussion distanziert sich Orbán unzweideutig von dieser Politik des Westens. Er drängt auf Frieden und hat von Anfang an erklärt, dass aus diesem Krieg niemand als Gewinner hervorgeht. Aber er sagt, dass viel zu viele im Westen sich darüber hinwegtäuschen, was wirklich passiert – und was passieren könnte. Die westlichen Politiker mögen vielleicht glauben, dass sie sich nicht im Krieg mit Russland befinden, aber indem sie immer mehr Waffen schicken und eine tatsächlichen Intervention mit NATO-Truppen immer wahrscheinlicher wird, spielen die westlichen Oberhäupter ein extrem gefährliches Spiel mit sich selbst, mit Russland und mit der westlichen Öffentlichkeit, so Orbán.
Die Möglichkeit eines Atomkriegs?
Ein Journalist fragte den Ministerpräsidenten, ob er glaube, dass der Krieg nuklear werden könnte. “Ich kann nicht ausschließen, dass es dazu kommt”, erwiderte er. Weiter stellte er fest, dass er von taktischen Atomwaffen auf dem Schlachtfeld spreche, nicht von Atompilzwolken über Warschau und Berlin – “aber auch das kann ich nicht ausschließen”, so Orbán. Wenn die Ukraine mithilfe weiterer massiver westlicher Waffenlieferungen irgendwie doch an den Punkt käme, die Grenze auf russisches Territorium zu überqueren, dann würde die Zukunft der Welt so “hell”, dass der Westen starke Sonnengläser tragen muss.
Einer der Journalisten bemerkte, dass die Russen bisher auf dem Schlachtfeld wenig geleistet hätten. Ja, antwortete Orbán, das ist wahr. Aber wenn man sich die russische Geschichte anschaut, dann war es immer so mit den Russen im Krieg. Sie beginnen schlecht, aber nach einer Weile haben sie gelernt und sich angepasst, dann sind sie nur noch schwer zu stoppen. Orbán geht davon aus, dass dies auch diesmal der Fall sein wird. Obwohl die Ukraine einige erstaunliche Anfangserfolge gegen Russland gehabt habe, kann Orbán auf lange Sicht nicht erkennen, dass der Westen auf der Gewinnerseite steht, insbesondere angesichts der russischen Produktionskapazität von Rüstungsgütern und Munition.
Zu Beginn des Gesprächs mit der Presse hatte Orbán auch darauf hingewiesen, dass der Westen Russland in ein Bündnis mit dem Iran gedrängt habe, was wiederum gefährlich für Israel sei.
Ungarn als einsamer Dissident
Orbán sprach davon, unter den 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in der Ukraine-Kriegspolitik der einzige Abweichler zu sein. Er erklärte, es sei sehr frustrierend, weil seine Kollegen an der Spitze der EU-Regierungen nicht über den Sinn und Zweck dieses Krieges diskutieren. “Warum nicht?”, kam die Frage aus der Reporterrunde.
97 Prozent der Ungarn lehnen EU-Sanktionen gegen Russland ab
“Sie wissen nicht, wer sie sind”, erwiderte Orbán unverblümt und erklärte, wenn man sie z. B. bittet, sich in Bezug auf den Krieg zu definieren, entgegneten sie, sie seien die Anführer eines Landes, das auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Diese Überzeugung und der harte Druck Washingtons sowie die “Angst vor den liberalen Medien” seien es, die ihr Denken motivieren – nicht die Überlegung, was im besten Interesse ihrer eigenen Länder und Völker ist. Orbán betonte, er sehe seine Rolle als gewählter Ministerpräsident Ungarns darin, seinem Volk zu helfen, mit den Herausforderungen umzugehen, mit denen es heute konfrontiert ist, und es auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten. “Aber in der EU-Runde sei er “der Einzige, der den Job als Staatschef so versteht”, teilte er mit. Laut Orbán ist der französische Präsident Emmanuel Macron der einzige andere europäische Staatschef, der wenigstens noch an einen Blick in die Zukunft wirft und nachdenkt.
Wachsende Kluft zum Rest der EU
Orbán machte eine pointierte Bemerkung über die Deutschen im gegenwärtigen Krieg: “Die Deutschen leiden, weil sie wissen, was in ihrem nationalen Interesse ist, aber sie sind nicht in der Lage, es zu sagen.” Er meinte, dass die deutsche Führung weiß, dass sie in einen Krieg mit Russland verwickelt ist, aber aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, Nein zu Washington zu sagen.
Jemand sprach die Möglichkeit eines Staatsstreichs in Russland an, durch den Putin abgesetzt werden könnte. Orbán reagierte heftig und sagte, dass es niemanden gebe, der Putin nachfolgen könnte, der moderater als Putin sei. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde das Problem für den Westen nicht lösen.
Auf die tiefe Kluft zwischen Ungarn und der Führungsspitze der Europäischen Union angesprochen, räumte Orbán rundheraus ein, dass es diese große Kluft zwischen Budapest und Brüssel sogar immer größer wird. Warum? Orbán erklärte, das habe mit einem grundlegenden ideellen Unterschied zu tun, nämlich bezüglich der Frage, “was ein Mensch ist und wozu die Gesellschaft da ist”, womit er implizit die neoliberale “Der-Gewinner-kriegt-alles -Ideologie” der korrupten Europäischen Union der internationalen Konzerne scharf verurteilte.
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