Quelle: www.globallookpress.com © Wang Tiancong/XinHua Warnung vor der atomaren Konfrontation: Russlands Außenminister Sergei Lawrow während des G20-Gipfels in Brasilien, Rio de Janeiro, 21. Februar 2024
Von Rainer Rupp
Am Rande des Treffens in Rio de Janeiro am 21. und 22. Februar 2024 erklärte Lawrow, dass die während des Kalten Krieges zwischen der UdSSR und den Vereinigten Staaten im gegenseitigen Einvernehmen ausgehandelten und so sorgfältig aufgebauten Hürden gegen ein zufälliges Abgleiten in einen Nuklearkrieg derzeit durch die irrationalen Handlungen des Westens zerlegt werden. Mit anderen Worten, derzeit passiert all das, was auf beiden Seiten der Systemauseinandersetzung während der schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges befürchtet wurde.
All die sorgfältig errichteten Hindernisse zur Verhütung eines Atomkriegs in Form von Verträgen über Rüstungsbeschränkungen wie Obergrenzen für Interkontinentalraketen und über die Zahl und den Wirkungsgrad der Nuklearsprengköpfe und später in Form von Abkommen zum Abbau von Atomwaffen und Trägersystemen, sowie die dazugehörigen Verträge über vertrauensbildende Maßnahmen, Streitkräftetransparenz und gegenseitige Überprüfungen über die Einhaltung der Abkommen, all dies ist seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991 von den USA einseitig und systematisch Schritt für Schritt abgebaut und in die Abfalltonne getreten worden.
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In den vorangegangenen 50 Jahren des Kalten Krieges haben inmitten eines Gleichgewichts des Schreckens und der totalen gegenseitigen Vernichtung ganze Generationen von Diplomaten aus den USA und der UdSSR letztlich mit Erfolg daran gearbeitet, ein Modicum von gegenseitiger Sicherheit zu schaffen. Dies war nicht mit mehr oder besseren Waffen gelungen. Vielmehr begann der richtige Weg zum Ziel mit der Suche nach gegenseitigem Verständnis und der Bereitschaft, die Lage aus der jeweiligen Sicht des Gegners zu sehen, zu erkennen, wo die roten Linien des Gegners verlaufen und zu verstehen und zu respektieren, warum das so und nicht anders ist.
Wichtig war auch auf beiden Seiten die Einsicht, dass, wenn man bei der Schaffung eines für beide Seiten akzeptablen Sicherheitssystems weiterkommen will, die roten Linien beziehungsweise die größten Sorgen des Gegners berücksichtigt werden müssen. Auf den Kern gebracht darf meine Sicherheit nicht durch mehr Unsicherheit des Gegners erreicht werden, weil dies nur ein neues Wettrüsten hervorbringen würde und noch mehr Unsicherheit zufolge hätte. Vielmehr ging es damals darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem meine Sicherheit auch die Sicherheit des Gegners ist. Wenn man das erreicht, dann können auch Gegner Sicherheitspartner werden.
Für eine erfolgreiche Friedensarbeit vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer totalen atomaren Vernichtung beider Seiten ist die Anerkennung des Gegners als gleichberechtigter Verhandlungspartner unabdingbar! Als Nächstes kommt die beiderseitige Bereitschaft, Verständnis für die Lage des Gegners aufzubringen, für dessen Geschichte und Kultur, für dessen wirtschaftliche und politische Probleme und wo immer womöglich Bereiche gemeinsamer Interessen und Kooperationen herauszuarbeiten. Bei all dem haben ab Mitte der 1980er-Diplomaten und Politiker beider Seiten im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) erfolgreich kooperiert und auf diese Weise die Welt davor bewahrt, dass der Kalte Krieg zwischen den Supermächten zu einem heißen wurde und stattdessen sein Ende fand.
Von diesen friedenspolitischen Maßnahmen, von den Verträgen und Abkommen ist heute, 33 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion, nichts mehr da. Ein Abkommen nach dem anderen wurde von einer neuen, neokonservativen Kriegerkaste in Washington in die Mülltonne getreten. Ganz unverhüllt demonstrierten die US-Exzeptionalisten als Vertreter der einzig übrig gebliebenen Supermacht rund um den Globus ihre militärische Dominanz, mit der sie ihre hegemonialen Ansprüche zu untermauern versuchten.
Analyse
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Aber heute existieren immer noch Tausende von Atomsprengköpfen und dazugehörige interkontinentale Trägersysteme sowohl auf US-amerikanischer als auch auf russischer Seite. Aber die Hindernisse gegen ihren zufälligen Einsatz, die Verträge und Abkommen, die gegenseitigen Überprüfungen und all das andere, was während des Kalten Krieges einen ungeplanten Atomkrieg verhindern sollte, existiert nicht mehr. Und das Forum, in dem die gegenseitige Verständigung und die vertrauensbildenden Maßnahmen institutionalisiert wurden, die KSZE, ist leider zu einem billigen Propagandainstrument der US/NATO und EU gegen Russland verkommen.
In dieser Situation haben die US/NATO-Großmanöver in der Nähe der russischen Grenze begonnen. Die heizen die wegen des Krieges in der Ukraine ohnehin bereits angespannte Situation weiter an. Zugleich haben die USA jüngst wieder Übungen zum Ersteinsatz von Nuklearwaffen abgehalten und in alle Weltrichtungen ihren atomaren Knüppel geschwungen. Vor diesem Hintergrund beklagte der russische Außenminister Lawrow in Gesprächen am Rande des G20-Gipfels in Rio de Janeiro, wie Washington unter dem fiktiven Vorwand einer von Russland angeblich geplanten Aggression gegen die NATO-Ostgrenze versucht, seine Verbündeten in Westeuropa gegen Russland aufzuhetzen. Es sei “nicht schwer zu erraten, wozu das führen kann”, so Lawrow.
Ursprünglich wurde das Format der G20-Treffen nicht geschaffen, um globale Probleme zu diskutieren, sondern als Chance für einen engeren Kontakt zwischen westlichen Ländern und dem Globalen Süden. Vertreter Chinas äußerten die Hoffnung, dass während der Sitzungen keine geopolitischen Fragen aufgeworfen würden, sondern im Gegenteil der Gipfel zur Stärkung der Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern beitragen sowie einen positiven Beitrag zum globalen Wirtschaftswachstum und zur globalen Entwicklung leisten würde.
Der Gastgeber des Treffens, der brasilianische Außenminister Mauro Vieira, sagte jedoch, dass die Tagesordnung des Gipfels globalen Sicherheitsfragen sowie Fragen der Reform internationaler Organisationen gewidmet sei, die ihre Ineffizienz und Unfähigkeit gezeigt hätten, das Problem zu lösen, für das sie einst geschaffen wurden. Diese Liste umfasst die UNO, den IWF und die Weltbank – diese Institutionen haben sich an ihre westlichen Herren angepasst und seien zu deren Geldtaschen geworden. Lawrow erinnerte etwa daran, dass der IWF im Rahmen des von der G7 genehmigten Finanzierungsprogramms für die Ukraine im Jahr 2023 insgesamt 15,7 Milliarden Dollar nach Kiew überwiesen hat. Das habe das gesamte sechsmonatige Kreditvolumen des IWF an den Rest der Welt deutlich überstiegen.
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Neben der Warnung vor nuklearen Bedrohungen, denen die Welt ausgesetzt ist, wies Lawrow auch darauf hin, dass die westlichen Länder die Nachrichten über Putins Interview mit dem amerikanischen Journalisten Tucker Carlson mit schäumender Wut aufgenommen haben, weil die Wahrheit, die von den westlichen Mainstream-Medien so sorgfältig verborgen wird, endlich bekannt wurde und Millionen von Menschen sie hören konnten.
Er erklärte, dass der Westen seine berüchtigten “Regeln” anstelle des Völkerrechts vorantreibe. “Eine solche Politik basiert auf Neokolonialismus, dem Wunsch nach Dominanz im politischen, wirtschaftlichen und humanitären Bereich unter dem Deckmantel schöner Phrasen”, sagte Lawrow. Auf Betreiben des Westens würden die Grundfesten des internationalen Dialogs und der internationalen Kommunikation untergraben.
Zugleich suche der Westen nach kriminellen Wegen, Staatsvermögen und Privateigentum anderer Staaten zu beschlagnahmen, während in der Ukraine Ackerland von US-Unternehmen in großem Stil aufgekauft wird. Zugleich würden die Ukrainer selbst von Präsident Wladimir Selenskij als “Verbrauchsmaterial” (Kanonenfutter) benutzt.
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