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Sekundär-Sanktionen: EU sucht die Isolation

Sekundär-Sanktionen: EU sucht die Isolation

Quelle: www.globallookpress.com © Thomas TrutschelChinas Außenminister Qin Gang warnte bei seinem Besuch in Deutschland Außenministerin Annalena Baerbock (BÜndnis 90/Die Grünen) vor der Verhängung von Sekundär-Sanktionen.

Von Gert Ewen Ungar

Die Russland-Sanktionen funktionieren nicht. Die russische Wirtschaft wächst, Russland treibt Handel mit anderen Ländern, in Russland selbst haben die Sanktionen eine regelrechte Gründerzeit-Stimmung ausgelöst. Die Sanktionen schaden vorrangig den Unternehmen in der EU, sie treiben dort die Inflation in die Höhe und schaden der Wettbewerbsfähigkeit. Den russischen Markt haben die Unternehmen, die sich von dort zurückgezogen haben, wohl für immer verloren. Die Lücken wurden schnell von Anbietern aus anderen Ländern geschlossen. 

Die Russland-Sanktionen funktionieren unter anderem deshalb nicht, weil die Mehrheit der Länder sich nicht an das westliche Sanktionsregime hält und die Sanktionen umgeht. Dass sie nicht funktionieren, liegt auch an der schwindenden wirtschaftlichen Macht des Westens. Dort, wo sie aber Wirkung zeigen, außerhalb Russlands, auf den globalen Märkten, dort lösen sie große Defizite aus und ziehen die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft. Die Welt hat daher kein Interesse am westlichen Sanktionsregime. 

International haben die Sanktionen daher die Entdollarisierung beschleunigt. Man verabschiedet sich vom Dollar als Leit- und Reservewährung. Auch der Euro verliert seit Jahren an Bedeutung. Die Griechenlandkrise hat ihn beschädigt, die politische Instrumentalisierung durch die EU-Kommission im Rahmen der Russland-Sanktionen bricht ihm absehbar das Rückgrat. Das, wozu sich die EU moralisch im Recht und sogar in der Pflicht sieht, das Einfrieren russischer Devisen und die Überlegung, sie der Ukraine zukommen zu lassen, wertet man in anderen Ländern als bloßen Diebstahl und damit als reine Kristallisation von Unrecht. 

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Um den Sanktionen doch noch zur Wirkung zu verhelfen, denkt die EU-Kommission inzwischen über die Verhängung von Sekundärsanktionen nach. Es ist ein Akt der Verzweiflung, der die EU weiter isolieren wird. Die große Mehrheit der Länder der Welt trägt die Sanktionen nicht nur nicht mit. Der große Teil der Länder der Welt verurteilt sie. Sie verstoßen gegen das Völkerrecht, verstoßen gegen die Menschenrechte, lösen Mangel und Hunger aus und treffen vor allem arme Länder hart. 

Bis vor Kurzem galten Sekundärsanktionen auch in der EU als völkerrechtswidrig. Jetzt möchte sie die EU dennoch gegen jene Länder verhängen, die Russland bei der Umgehung unterstützen. In einem bizarren Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) springt der Kommentator Nikolas Busse der EU argumentativ hilfreich zur Seite. Putin ist schuld, dass die EU jetzt sogar gegen ihr eigenes, ohnehin schon sehr weit ausgelegtes Verständnis von Völkerrecht verstoßen muss.

“Mit solchen sogenannten Sekundärsanktionen arbeiteten bisher vor allem die Vereinigten Staaten. Soweit sie europäische Firmen betrafen, betrachtete die EU sie sogar als völkerrechtswidrig. Putin erzwingt nun auch hier eine realpolitische Neuausrichtung.”

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Eine derart absurde Begründung wird selbstverständlich außerhalb der westlichen Blase kein Land gelten lassen. Selbst innerhalb des kollektiven Westens wird sie aufgrund der Umkehr des Schuldverhältnisses nur auf begrenzte Zustimmung stoßen. Die moralische Flexibilität mag in Regierungskreisen und in deutschen Redaktionsstuben extrem hoch sein, bei weiten Teilen der Bevölkerung ist der ethische Kompass jedoch noch intakt.

Was Busse hier vorträgt, ist schlicht der Anspruch des Westens, anderen Ländern die Regeln diktieren zu können. Es ist der imperialistische, kolonialistische Herrschaftsanspruch des Westens, den die FAZ formuliert. Dieser steht aber gerade infrage. Fakt ist: Die Sanktionen verstoßen gegen das Völkerrecht. Die Sekundärsanktionen tun es umso mehr. 

Seit Beginn des Sanktionsregimes haben die Länder außerhalb des kollektiven Westens ihre Verbindungen zu Russland vielfach noch gestärkt. Die westliche Idee, Russland isolieren und ruinieren zu wollen, ist grandios gescheitert. Und sie muss weiter scheitern, denn es geht inzwischen um mehr als bloß die Ukraine. Es geht darum, den Herrschafts- und Dominanzanspruch des Westens zu brechen. 


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Die EU sollte verstehen lernen, dass die Weltgemeinschaft an einer Bestrafung Russlands nicht nur kein Interesse hat, sondern mit jeder Ausweitung der Sanktionen, mit jedem weiteren Hinwegsetzen über internationale Regeln, mit jeder weiteren Verweigerung, gemeinsam mit Russland nach einer Friedenslösung zu suchen, zunehmend ein Interesse daran hat, die EU zu bestrafen. Die EU mag für sich entschieden haben, für das moralisch Gute zu stehen, sie mag sich als Garten im Dschungel sehen – der Blick von außen offenbart etwas anderes: Die EU ist der Rückfall in die Barbarei. Die EU glaubt, im Recht des Stärkeren zu sein, daher muss sie im Interesse des Wohls der Völker eingehegt werden.

Inzwischen geht es längst um ein anderes Thema. Das Thema lautet: Wie kann man den Westen, wie kann man die EU dazu bringen, sich ans Völkerrecht und an internationale Normen und Regeln zu halten? Wie kann eine Demokratisierung der internationalen Verhältnisse erreicht werden, ohne dass einige Länder für sich eine Sonderstellung außerhalb des internationalen Ordnungsrahmens beanspruchen? Wie kann der Westen in seiner Macht und in seinem Einfluss effektiv und dauerhaft beschnitten werden? Vermutlich führt der Weg dahin über den von außen herbeigeführten wirtschaftlichen Niedergang der EU und der Länder, die sich besonders aggressiv geben. Deutschland gehört dazu. 

Die Ankündigung von Sekundärsanktionen stellt eine Eskalationsstufe dar. Sie sind eine Kriegserklärung der EU an die Länder außerhalb des kollektiven Westens. Sie werden die Suche nach Möglichkeiten, den Westen zu begrenzen und einzuhegen, noch beschleunigen. Der Westen darf mit seinen autoritären, repressiven Maßnahmen nicht siegen. An seiner Niederlage hat inzwischen die ganze Welt ein zutiefst berechtigtes Interesse. 

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