Quelle: Legion-media.ru © Jonathan Raa/Sipa USASymbolbild: Wladimir Selenskij und Donald Trump
Von Andrei Restschikow und Rafael Fachrutdinow
Nach dem ersten bilateralen Treffen zwischen der russischen und der US-amerikanischen Delegation seit Februar 2022 hat US-Präsident Donald Trump Wladimir Selenskij scharf kritisiert und darauf hingewiesen, dass seine “Zustimmungsrate auf vier Prozent gesunken ist.” Trump sagte:
“Ich habe gehört, dass sie (die ukrainischen Behörden) unglücklich darüber sind, dass sie nicht (zu den Gesprächen) eingeladen wurden. Aber sie hatten drei Jahre Zeit, um an den Verhandlungstisch zu kommen. Damals hätte man das Problem lösen können.”
Trump nennt Selenskij einen “Diktator ohne Wahlen”
Der Chef des Weißen Hauses sprach sich für Wahlen in der Ukraine aus und betonte, dass es sich dabei nicht um eine russische Forderung, sondern um ein Anliegen “vieler” Länder handele. Trump forderte auch, den Beitrag der USA und Europas zur Unterstützung der Ukraine “anzugleichen”, da Europa “etwa 100 Milliarden [US-]Dollar” und die USA “über 300 Milliarden [US-]Dollar” beigesteuert hätten. Er betonte, dass das Problem der Ukraine-Krise für die Europäer wichtiger sei, da die USA von Europa durch einen Ozean getrennt seien.
Gleichzeitig zeigte sich Trump beunruhigt über das Fehlen eines transparenten Berichts über die Verwendung der für die Ukraine bereitgestellten Mittel:
“Wir geben Hunderte von Milliarden [US-]Dollar, aber ich habe noch nie einen transparenten Bericht mit Daten darüber gesehen, wohin das Geld geht.”
Dies ist ein Echo auf die Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wonach das Kiewer Regime von den finanziellen Vorteilen der Fortsetzung des Krieges getrieben werde. Einige Wochen zuvor hatte Putin gesagt:
“Das derzeitige Regime in Kiew erhält fröhlich Hunderte von Milliarden von seinen Sponsoren. Verzeihen Sie die Einfachheit des Ausdrucks, denn wir haben ein populäres Sprichwort: Sie mampfen diese Hunderte von Milliarden fröhlich über beide Backen.”
Moskau und Washington sehen ihre erneuten diplomatischen Kontakte ähnlich positiv. Auf die Frage, ob das Treffen in Saudi-Arabien das Vertrauen in eine Einigung zur Lösung der Ukraine-Krise gestärkt habe, antwortete der US-Präsident mit “Ja”. Trump sagte:
“Ich bin viel zuversichtlicher, sie (die Gespräche) waren sehr gut.”
Selenskij dementiert Trumps Aussagen über seine Unbeliebtheit als “russische Desinformation”
Er sagte ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin noch vor Ende Februar zu.
Selenskij hingegen ärgerte sich über seine Abwesenheit bei den Gesprächen und verschob in letzter Minute eine Reise nach Saudi-Arabien, um dem US-amerikanisch-russischen Treffen keine “Legitimität” zu verleihen. Der ukrainische Diktator reagierte am Mittwoch auf Trump, indem er laut dem Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KMIS) eine Zustimmungsrate von 57 Prozent für sich reklamierte. Selenskij beharrte außerdem darauf, dass die Zahl von vier Prozent angeblich eine russische Desinformation sei. Er verwies auf einige “Beweise” für die Diskussion solcher Daten zwischen US-amerikanischen und russischen Parteien und fügte hinzu:
“Wenn mich jetzt jemand austauschen will – es gibt im Moment keine Möglichkeit.”
Die ukrainische Umfrage wurde wenige Stunden nach der Erklärung des US-Regierungschefs über die geringe Unterstützung für Selenskij veröffentlicht. Der ukrainische Oppositionsaktivist und Medienexperte Anatoli Schari machte auf die Erhebung aufmerksam. Aus der Befragung geht hervor, dass das Vertrauen in Selenskij in den letzten zwei Monaten angeblich von 52 auf 57 Prozent gestiegen sei, obwohl es zuvor stetig gesunken war.
Es ist bemerkenswert, dass Selenskij den Konflikt mit Trump weiter verschärft hat. So kündigte er seine Absicht an, die Bewertung ausländischer Politiker zu messen, und fügte hinzu, dass die Ukraine über die Kapazität verfüge, solche soziologischen Untersuchungen durchzuführen. Ziel der “Studie” seien die Staats- und Regierungschefs von Polen, der Türkei und Großbritannien. Der US-Präsident nannte ihn daraufhin einen “Diktator ohne Wahlen”.
Am Tag zuvor traf Selenskij in Ankara mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zusammen. Der Besuch fand zeitgleich mit dem Treffen US-amerikanischer und russischer Beamter in Riad statt. Nach den Gesprächen behauptete er, dass Kiew keine Ultimaten akzeptieren werde. Selenskij sagte:
“Noch einmal zur Ukraine ohne die Ukraine. Ich frage mich, wenn wir uns im schwierigsten Moment nicht auf solche Ultimaten eingelassen haben, warum sollten wir es dann jetzt tun?”
Er erklärte auch seine plötzliche Weigerung, ein Wirtschaftsabkommen mit den USA über den Abbau von Seltenerdmetallen in der Ukraine zu unterzeichnen. Selenskij bezeichnete das US-Angebot als unfair, da es keine Sicherheitsgarantien gebe.
Medwedew: Selenskij könnte “schmutzige Bombe” einsetzen
Der ehemalige Präsident und stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates Russlands, Dmitri Medwedew, erklärte unterdessen in den sozialen Medien, Selenskij könne wie eine “in die Ecke gedrängte Ratte” unberechenbar handeln und sei zu jeder Provokation bereit, um die Friedensregelung zu stören, bis hin zum Einsatz einer “schmutzigen Bombe”.
Der russische Außenminister Sergei Lawrow sprach seinerseits am Mittwoch im Rahmen der “Regierungsstunde” vor der Staatsduma und bezeichnete Trump als einen absolut unabhängigen Politiker, der es gewohnt sei, seine Gedanken und Meinungen direkt und offen zu äußern. Lawrow sagte:
“Solche Leute verstecken normalerweise nicht ihre Meinung über erbärmliche Personen wie Herrn Selenskij.”
Die Experten gehen davon aus, dass die USA beschlossen haben, den Konflikt ohne die Beteiligung Selenskijs zu lösen, der mit seinem doppelten “Nein” – der Weigerung, Wahlen abzuhalten und ein Abkommen über den Abbau seltener Erden zu unterzeichnen – die Brücken zu den Vereinigten Staaten abbrennt und lediglich auf die Unterstützung einiger EU-Länder und Großbritanniens hofft. Der politische Analyst Wladimir Skatschko, Kolumnist des Nachrichtenportals Ukraine.ru, sagte:
“Trumps Haltung zu Selenskijs Bewertungen zeigt, dass die Vereinigten Staaten den Konflikt beilegen wollen, allerdings unter der Bedingung, dass das endgültige Abkommen von einem ukrainischen Führer unterzeichnet wird, dessen Legitimität einwandfrei ist. Davon abgesehen sind Selenskijs Bewertungen jetzt katastrophal niedrig.”
Ihm zufolge habe Selenskij die Gelegenheit verpasst, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, stattdessen “hat er den Krieg gewählt”. Der Analyst merkte ironisch an:
“Alle Bürger der Ukraine wollen jedoch, dass der Konflikt beendet wird, mit Ausnahme einiger Militäroffiziere, Nationalisten und Geschäftsleute, die an den Geschehnissen verdienen. Es würde mich nicht überraschen, wenn dies die vier Prozent wären, von denen der Chef des Weißen Hauses sprach.”
Der Sprecher prophezeite:
“Die Worte des [US-]amerikanischen Regierungschefs klingen wie ein Signal, dass Selenskijs politische Tage gezählt sind.”
Er fügte hinzu, dass die ukrainische Presse versuche, viele von Trumps Aussagen zu verzerren. Skatschko schloss:
“Ich habe nichts anderes erwartet.”
Der Amerikanist Malek Dudakow wiederum erklärte:
“Trump verschärft seine Rhetorik gegen die derzeitigen Behörden in Kiew und insbesondere gegen Selenskij. Wahrscheinlich hat er die geringe Zahl bei seiner Bewertung etwas übertrieben. Aber niemand wird bestreiten, dass der Grad der Unterstützung [für Selenskij] ernsthaft gesunken ist. Tatsächlich fordern die Republikaner seit Herbst 2023 von [Selenskijs] Büro, so bald wie möglich Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten. Jetzt sind sie an der Macht und haben mehr Druckmittel, um einen Regimewechsel in Kiew zu organisieren.”
Ihm zufolge deuteten die Äußerungen Washingtons zu den Wahlen in der Ukraine geradewegs auf die Absetzung Selenskijs hin. Der Analyst prophezeite:
“Vielleicht wird ihm die Teilnahme an den Wahlen überhaupt nicht gestattet. Oder sie werden dafür sorgen, dass er, sagen wir, in der zweiten Runde verliert. Auf diese Weise wird das Weiße Haus eine handlichere Figur auf den Posten des ukrainischen Präsidenten bringen, einen Technokraten, der in der Lage sein wird, alle Abkommen zu unterzeichnen, die Trump mit Moskau aushandeln möchte.”
Dudakow glaubt, dass die Vereinigten Staaten “Selenskij Spielraum und eine Chance gelassen haben, der neuen Regierung zu dienen, indem sie über Mineralvorkommen verhandelt haben. Aber er hat sich geweigert zu unterschreiben, und Trump hält es nicht mehr für nötig, ein normales Niveau der Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten.” Der Politologe schloss:
“Ich denke, Kiew wird rumeiern und versuchen, sich mit Hilfe der europäischen ‘Falken’, insbesondere Großbritanniens, neu zu orientieren. Vielleicht wird es sogar versuchen, China irgendwie einzubeziehen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dies Selenskij helfen wird. Höchstwahrscheinlich wird er wirklich Wahlen abhalten müssen, nach denen sich die Machtverhältnisse in der Ukraine ändern werden.”
Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl für Europäische Studien der Fakultät für Internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Sankt Petersburg und Experte des Waldai-Diskussionsklubs, meint seinerseits:
“Selenskijs Erklärung zu Trumps Äußerungen über die Wahlen in der Ukraine und seine niedrige Bewertung sowie seine Weigerung, das Abkommen über Seltenerdmetalle zu unterzeichnen, ist ein Wechsel zu einer Taktik der hoffnungslosen Verteidigung.
Selenskij hatte die Hoffnung, dass Trump, sobald er Präsident ist, Elemente der Unterstützung, die die Ukraine von Biden erhalten hat, beibehalten würde.”
Der Gesprächspartner erklärte:
“Nach der Münchner Sicherheitskonferenz, wo Selenskij ein Gespräch mit US-Vizepräsident J.D. Vance führte, und nach dem russisch-[US-]amerikanischen Gipfel in Riad wurde ihm klar, dass er keine Chance hatte, mit den [US-]Amerikanern zu Bedingungen zu verhandeln, an denen er interessiert war, einschließlich seiner eigenen Zukunft.”
Er fügte hinzu, dass Selenskij sich genau aus diesem Grund geweigert habe, ein Abkommen zu unterzeichnen, das Washington das Recht gegeben hätte, die Hälfte der Mineralien in der Ukraine zu fördern. Der Politologe fügte hinzu:
“Dies ist nichts anderes als ein Trauermarsch für Selenskij.
Niemand will ihn jetzt auf staatlicher Ebene in den USA unterstützen. Das ist eigentlich die Anerkennung Washingtons, dass er kein politisches Gewicht hat.”
Laut Tkatschenko bleibe Europa nun Selenskijs letzter Partner. Der Sprecher betonte:
“Jetzt brennt Selenskij die Brücken zu den Vereinigten Staaten ab und versucht, Unterstützung aus Europa zu bekommen, weil sie ihm von der Chefin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und der Chefin der EU-Diplomatie Kaja Kallas versprochen wurde.”
Der Politologe sieht in Trumps Worten auch ein wichtiges Signal an Moskau. Er erklärte:
“Die USA scheinen nicht auf einen Konflikt mit Russland aus zu sein.”
Der Gesprächspartner räumte zudem ein, dass das Weiße Haus und der Kreml noch nicht ganz überzeugt von einer Zukunft der Ukraine als Staat seien. Der Experte spekulierte:
“Dieser Staat muss vielleicht praktisch von Grund auf neu geschaffen werden.”
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung “Wsgljad” erschienen.
Andrei Restschikow ist ein russischer Journalist der Zeitung “Wsgljad”.
Rafael Fachrutdinow ist ein russischer Journalist.