Meinung

Wie deutsche Medien über das Telefonat der Luftwaffengeneräle desinformieren

Wie deutsche Medien über das Telefonat der Luftwaffengeneräle desinformieren

Quelle: Legion-media.ru © Klaus-Dietmar Gabbert/DpaIngo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, gemeinsam mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius im Oktober 2023 in Holzdorf

Von Thomas Röper

Vorweg sei gesagt, dass die deutschen Medien die Echtheit des abgehörten und in Russland veröffentlichten Telefonates, in dem deutsche Luftwaffengeneräle offen darüber sprechen, wie man die Krim-Brücke am besten mit deutschen Taurus-Raketen angreifen kann, in ihren Berichten bestätigt haben. Die Bild-Zeitung titelt beispielsweise “Unfassbare Bundeswehr-Panne – Russen hören Geheim-Gespräch deutscher Generäle ab” und anstatt über den Inhalt des Gespräches allzu viel zu berichten, entrüstet sich die Bild-Redaktion darüber, dass die Bundeswehr abgehört wurde. Und die Bild teilt mit, dass die Bundeswehr, “um den Schaden zu begrenzen”, Zensurmaßnahmen durchgesetzt hat, indem sie X-Accounts, die den Mitschnitt verbreitet haben, in Deutschland blockieren ließ. Zensur als Schadensbegrenzung, sozusagen.


Analyse

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Welcher Schaden damit begrenzt werden soll, ist offensichtlich. Es soll verhindert werden, dass die Deutschen etwas über den Inhalt des Gespräches erfahren, denn aller anderer Schaden ist angerichtet: Das Gespräch ist weltweit bekannt und in viele Sprachen übersetzt worden. Nur die Deutschen sollen nichts davon erfahren, was die Bundeswehrführung im Geheimen zu tun gedenkt.

Deutsche Politik und Medien waren 14 Stunden ratlos

Während ich diese Zeilen schreibe, ist es in Deutschland kurz nach 23:00 Uhr. Die Bild hat ihren Artikel um 21:51 Uhr veröffentlicht, der Spiegel hat seinen Artikel mit der Überschrift “In Russland geleaktes Audio von heikler Besprechung – MAD ermittelt wegen Spionage-Verdacht bei der Bundeswehr”, den wir uns noch genauer anschauen werden, um 21:06 Uhr veröffentlicht. Auch die anderen deutschen Mainstream-Medien, die berichtet haben – und das sind bisher noch nicht viele – haben ihre Artikel, wie eine Google-Suche nach dem Begriff “Krim Brücke” ergibt, ab 21:00 Uhr veröffentlicht.

Das ist lustig und nicht neu, denn das habe ich schon öfter erlebt. Wenn es Nachrichten gibt, die Dinge aufdecken, von denen die deutsche Öffentlichkeit nichts erfahren soll, dann dauert es einige Zeit, bis man sich bei den deutschen Medien auf ein Wording geeinigt hat. Daher ist es wenig verwunderlich, dass alle deutschen Medien ab einem bestimmten Zeitpunkt (ab 21:00 Uhr) nur kurze Artikel veröffentlicht haben, in denen über den Inhalt des Gespräches fast nichts berichtet wird. Dafür wird jedoch breit berichtet, dass die bösen Russen das Gespräch abgehört haben und dass der Militärische Abschirmdienst nun ermittelt.

Bis man sich in Politik und Medien auf ein Wording geeinigt hatte, vergingen 14 Stunden, denn Margarita Simonjan, die Chef-Redakteurin von RT, hat die erste Meldung über das abgehörte Gespräch und seinen Inhalt bereits um 7:00 Uhr morgens auf Telegram veröffentlicht. Um 11:55 Uhr hat sie das schriftliche Transkript veröffentlicht und um 16:05 Uhr hat sie den gesamten Audiomitschnitt veröffentlicht.

Die Echtheit wird nicht bestritten…

Alle deutschen Medien berichten, dass die Echtheit des Mitschnittes nicht bestritten wird. Sie berichten stattdessen, dass der Militärische Abschirmdienst nun untersucht, wie Russland das Gespräch abhören konnte, weil befürchtet wird, dass die Russen Zugang zu internen Kommunikationskanälen haben könnten.

Das ist eine Behauptung für die dumme Presse, denn natürlich hätten die Russen, wenn sie so einen Zugang hätten, diesen nicht riskiert, indem sie ein Gespräch veröffentlichen, an das sie über den Weg gekommen sind. Stattdessen – das berichtet zum Beispiel der Spiegel – waren die deutschen Generäle einfach strunzdumm, denn sie haben über die relativ leicht abhörbare Plattform Webex miteinander gesprochen, wobei einer der Teilnehmer in Singapur war, womit es ohnehin recht leicht gewesen sein dürfte, ihn abzuhören, wenn er um die halbe Welt mit Deutschland telefoniert. Der Spiegel schreibt dazu:

“Angesichts der Brisanz der Themen hätte man in diesem Fall eine verschlüsselte Leitung benutzen müssen, die Vorschriften der Bundeswehr sind für solche Gespräche über militärische Interna eindeutig.”

Das bedeutet, dass die Herren Sofa-Generäle wohl einen kräftigen Einlauf bekommen dürften, weil sie gegen alle Vorschriften verstoßen haben, indem sie das vertrauliche Gespräch quasi öffentlich geführt haben.

… aber der Inhalt wird verheimlicht

Dass die Bundeswehr dafür gesorgt hat, dass X-Accounts, die das Gespräch verbreitet haben, in Deutschland blockiert werden, habe ich schon erwähnt. Aber auch alle deutschen Medien, die bisher berichtet haben, haben über den Inhalt des Gespräches praktisch nichts berichtet. Und natürlich wurde das Gespräch selbst in keinem Artikel der deutschen Mainstream-Medien verlinkt.

Die Deutschen sollen nicht erfahren, was die Generäle besprochen haben. Dass die Bundeswehr das möchte, mag verständlich sein, aber dass die deutschen Medien bei der Geheimhaltung mitspielen, zeigt ein weiteres Mal, wem sie tatsächlich dienen – jedenfalls nicht ihren Lesern.

Der Spiegel-Artikel zum Beispiel umfasst zwölf Absätze, aber um den brisanten Inhalt des Gespräches geht es nur in zwei Absätzen. Der Spiegel-Leser erfährt über den Inhalt des Gespräches lediglich:

“Auf dem geleakten Band besprechen die Offiziere detailreich, wie die Luftwaffe die Lieferung des weitreichenden Waffensystems nach einer politischen Entscheidung des Bundeskanzlers technisch unterstützen könnte. Unter anderem geht es darum, wie man bei der Ausbildung von ukrainischen Piloten und der Programmierung der Systeme helfen könnte.

Am Ende des Bands spricht die Runde auch über mögliche Ziele, die die Ukrainer mit dem Taurus zerstören könnten. Unter anderem werden Munitionsdepots und die strategisch wichtige Kertsch-Brücke erwähnt, welche die von Russland annektierte Halbinsel Krim mit dem Festland verbindet.”

Lügen (nicht nur) durch Weglassen

Schauen wir uns das einmal Satz für Satz an. Dass es in dem Gespräch darum geht, die Taurus-Lieferung, wenn sie denn beschlossen wird, technisch zu unterstützen, stimmt. Und es geht auch darum, “wie man bei der Ausbildung von ukrainischen Piloten und der Programmierung der Systeme helfen könnte”, auch das stimmt.

Aber: Der Spiegel verschweigt seinen Lesern, dass die Generäle bei der Frage der Programmierung bereits Bauchschmerzen haben, weil dies eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands bedeuten würde. Sie suchen in dem Gespräch nach einer Möglichkeit, die Kriegsbeteiligung Deutschlands irgendwie zu umgehen oder zumindest zu verschleiern. An einer Stelle des Gespräches sagt Herr Gräfe sogar ganz deutlich:

“Beteiligt ist beteiligt.”

Davon erfährt der Spiegel-Leser allerdings kein Wort. Er erfährt nicht, dass sie diskutieren, die Kriegsbeteiligung Deutschlands zu verschleiern, indem sie bei der Kommunikation mit der Ukraine den Hersteller zwischenschalten, um die Beteiligung der Bundeswehr zu verbergen, oder indem Daten mit einem Auto in die Ukraine gebracht werden, oder indem man die Drecksarbeit der Kriegsbeteiligung durch Programmierung der Raketen von den Briten machen lässt, die das für den Einsatz ihrer Storm-Shadow-Marschflugkörper ohnehin schon tun, wie sie ganz offen sagen.

Nur um das deutlich zu sagen: Die deutschen Generäle sagen damit ganz deutlich, dass Großbritannien damit bereits am Krieg gegen Russland beteiligt ist.

RT-Chefin Simonjan: Deutsche Militärs planen Angriffe auf Krim-Brücke

Kommen wir zum nächsten Satz. Dass in dem Gespräch auch über mögliche Ziele gesprochen wird, ist richtig.

Aber da muss man genau sein, denn indem der Spiegel schreibt, dabei wären “unter anderem” Munitionsdepots und die Krim-Brücke (“Kertsch-Brücke”) “erwähnt” worden, belügt er seine Leser. Die Spiegel-Redaktion suggeriert, es wäre sehr unkonkret um ganz viele mögliche Ziele gegangen, darunter auch Munitionsdepots und die Krim-Brücke.

Das jedoch stimmt nicht, denn es ging nicht nur ausschließlich um Munitionsdepots und die Krim-Brücke, sondern wie man diese angreifen kann, wurde sehr detailliert besprochen. Die Luftwaffenoffiziere haben das sehr genau analysiert und für die Krim-Brücke einen praktisch fertigen Angriffsplan besprochen, wobei das einzige Problem für sie war, wie sie diesen Plan den Ukrainern erklären sollten, solange selbige nicht sehr ausführlich und viele Monate lang an der Taurus ausgebildet sind und die Taurus-Raketen selbst programmieren können.

Der Spiegel hat seine Leser durch Weglassen belogen, denn worum es in dem Gespräch ging und wie heikel es in Wahrheit war, erfahren Spiegel-Leser nicht. Das gilt für die Leser aller deutschen Mainstream-Medien – sie werden dumm gehalten.

Ablenkungsmanöver statt Berichterstattung

Stattdessen lenken die Artikel der deutschen Medien vom Inhalt des Gespräches ab. Die Bild-Zeitung tut das, indem sie sich darauf konzentriert, dass Russland das Gespräch abgehört hat. Der Spiegel tut das Gleiche, fügt aber noch ausführlich hinzu, dass das alles nur “russische Propaganda” sei. Dass sich der Spiegel in seinem Artikel auf diese beiden Narrative stützen würde, machte schon die Einleitung deutlich:

“Russische Propaganda-Kanäle haben eine Aufzeichnung einer internen Besprechung von Luftwaffen-Offizieren veröffentlicht. Die Aufnahme ist vermutlich authentisch, der Militär-Geheimdienst hat Ermittlungen eingeleitet.”

Über den Inhalt des Gespräches und über seine Brisanz erfährt der Spiegel-Leser nichts, er wird stattdessen sofort vom eigentlichen Thema abgelenkt.

Thomas Röper ist Herausgeber und Blogbetreiber der Webseite Anti-Spiegel. Dort wurde der vorliegende Text am 2. März 2024 erstmalig veröffentlicht.

Quelle

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