Meinung

“Wie macht der Kreml das?” – und andere Unterwürfigkeiten der Süddeutschen vor Faeser

"Wie macht der Kreml das?" – und andere Unterwürfigkeiten der Süddeutschen vor Faeser

Quelle: www.globallookpress.com © IMAGO/M. PopowNacy Faeser bei Kabinettssitzung, 08.01.2025

Von Dagmar Henn

In dem Interview, das Innenministerin Nancy Faeser vor einigen Tagen der Süddeutschen Zeitung (SZ) gegeben hat, steht ein Satz, den man, eingedenk der Tatsache, dass eine weitere Große Koalition das wahrscheinlichste Wahlergebnis ist, nur als Drohung lesen kann:

Ich würde diese Verantwortung gerne weiter tragen und weiter gestalten.

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Nancy Faeser, die Sozialdemokratin, der es gelang, den einstigen CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann bei der Missachtung demokratischer Rechte locker abzuhängen; die über Jahre hinweg konsequent daran arbeite, einen geschlossenen Kreislauf der Unterdrückung zu erstellen; die die Befugnisse von Verfassungsschutz und Polizei deutlich ausgeweitet und die grünen Nebengeheimdienste nach Kräften gefördert hat? Noch eine Runde mehr? Wahrlich ein Quell für Alpträume.

Nun ist die Süddeutsche kein Blatt, das Faeser kritische Fragen stellt. Es gab keine einzige Frage nach ihren Gesetzen. Im Gegenteil, der Tonfall weckt deutliche Erinnerungen an die berüchtigten Interviews des Bayrischen Rundfunks mit dem einstigen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß:

Drohnen über Bundeswehrstandorten, Sabotage an Unterseekabeln in der Ostsee: BND-Chef Bruno Kahl warnt davor, dass Russland längst ohne Skrupel vorgeht. Teilen Sie die Einschätzung?

Putin agiert absolut skrupellos. Diese Einschätzung teile ich. Das sehen wir an der Brutalität, wie er seinen Angriffskrieg auch gegen die ukrainische Zivilbevölkerung führt. Aber auch an Cyberangriffen oder Desinformationskampagnen.”

Das musste ja sein, das Stichwort “Desinformationskampagne”. Das ist für Zensorin Faeser ein Heimspiel. Keine Nachfrage. Kein Zweifel. Nicht einmal die Formulierung von der Brutalität “gegen die ukrainische Zivilbevölkerung” erzeugt ein leises Zögern, nach über einem Jahr israelischer Massaker in Gaza.

Nein, das Interview dreht auf eine ganz eigenartige Weise ab, denn die beiden SZ-Mitarbeiter erzählen dann von afghanischen Flüchtlingen (ja, interessant, ausnahmsweise greift die SZ hier zum Wort “Flüchtlinge”, statt zum woken Marker “Geflüchtete”), die eigentlich Saboteure des “Auslandsgeheimdienstes GRU” sein sollen. Nur, um die Fakten mal gerade zu rücken – der russische Auslandsgeheimdienst heißt SWR, die GRU ist Militär. Aber was soll’s, Hauptsache, es gruselt schön.

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Und was behauptet Faeser?

“Außerdem wissen wir: Russland facht die Migration an, um Staaten zu destabilisieren.”

Hat Russland Libyen zerstört? Betreibt Russland Schlepperschiffe auf dem Mittelmeer? Die zentralen Routen, auf denen Flüchtlinge nach Deutschland kommen, verlaufen weit entfernt von russischem Gebiet, und selbst an der Destabilisierung der Heimatländer war Russland nicht beteiligt. Aber das ist die Süddeutsche mit der Innenministerin, da ist man lieb und nimmt alles als Wahrheit hin. Und fährt fort mit einem unterwürfigen “Wie geht der Kreml vor?”

“Wenn staatliche Akteure Menschen gezielt an EU-Grenzen bringen, um Druck aufzubauen, ist klar, dass das gesteuert ist.”

Denke da nur ich an die deutschen “Seenotretter” in italienischen Häfen? Wahrscheinlich. Faeser meint, da würden “Flugtickets und Visa ausgestellt”, um “Menschen nach Belarus und von dort auf den Weg Richtung Polen zu schicken”. Ja, diese Nummer hat man mal im Sommer vor zwei Jahren hochgespielt, während die Hauptrouten da blieben, wo sie immer waren – durch den Balkan und über das Mittelmeer. Aber was schert schon die Wirklichkeit.

Dann machen sich Interviewer wie Ministerin Sorgen um die Sicherheit der Chefs von Rüstungsunternehmen. Das ist vermutlich der Ausgleich dafür, dass eben diese Chefs sich derzeit keinerlei Sorgen um ihre Gewinne machen müssen. Und als Nächstes sorgt sich die SZ um ihre Lieblinge: Es gebe Versuche, “Grünen- oder FDP-Politikern den Besitz von Villen in den USA anzudichten.” Putzig. Klar, dass Faeser bereitwillig zustimmt. Aber dann schwenkt sie zu “intelligenteren Narrativen”:

“Gerade beobachten wir Netzwerke, die versuchen, die schwierige Wirtschaftslage zu instrumentalisieren. Da werden reale Probleme künstlich verstärkt. Ziel ist es, die Bevölkerung zu verunsichern und Angst zu schüren. Denn das nützt den Populisten.”

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Nun, noch vor zwei Jahren wurden Warnungen vor einer möglichen Deindustrialisierung durch die Russlandsanktionen als “russische Propaganda” abgetan, und behauptet, es sei eigentlich alles in Ordnung und gebe gar keine Probleme. Das funktioniert nicht mehr, nachdem das Schrumpfen der deutschen Industrie inzwischen sogar VW erfasst hat. Jetzt also wird die “schwierige Wirtschaftslage instrumentalisiert.” Das tut man vermutlich, wenn man sagt, dass die Energie- und die Sanktionspolitik diesen Zustand herbeigeführt haben. Denn verunsichern, das darf man nicht, gleich welchen Unfug die Berliner Politik gerade anstellt.

Überhaupt haben die beiden Süddeutschler ganz tief in den Kelch der NATO-Horrorpropaganda geschaut und sehen die Hauptfunktion des Innenministeriums als Assistenz bei der Kriegstreiberei. Da beruft man sich dann auf Verteidigungsminister Boris Pistorius und fragt, ob denn der Zivilschutz auf den angeblich in wenigen Jahren bevorstehenden russischen Angriff vorbereitet sei.

Man kann es ja nicht wissen, vielleicht begann dieses Gespräch mit gemeinsamem Drogenkonsum, und alle drei haben einen schlechten Trip erwischt. Jedenfalls kann sich Faeser ungehemmt über Bunkerbaupläne und Alarmsysteme auslassen.

In Bunkern gibt es 480 000 Plätze – für gut 80 Millionen Menschen. Was muss sich ändern?

Die Antwort müsste bei Anwendung des gesunden Menschenverstands lauten: die Politik. Weil der beste Schutz darin besteht, keine Bunker zu brauchen, indem man keine unnötigen Konfrontationen sucht. Aber diese Antwort ist weder bei der SZ noch bei Faeser vorgesehen, die natürlich begeistert einsteigt, und dann sogar noch sozial tun kann, indem sie sagt, sie sei “vorsichtig bei Vorschriften für private Neubauten. Nicht jeder kann sich das leisten.”

Im wirklichen Leben können sich die meisten schon die Heizvorgaben ihres Kollegen Habeck nicht leisten. Wieder keine Nachfrage. Wozu, um Himmels willen, schickt man gleich zwei Journalisten, wenn die Befragung gerade dieser Innenministerin eine brave Abarbeitung einer vor Konformität triefenden Frageliste ist? Das hätte man doch auch schriftlich erledigen können. Oder man hätte es am besten vor der Veröffentlichung in den Reißwolf geschoben.

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So wird auch die Frage nach dem Attentäter von Magdeburg zu einer weiteren Werberunde für noch mehr Überwachung und Kontrolle, “gesetzliche Befugnis für die KI-Datenanalyse”, die Faeser gerne hätte, ebenso wie “die Speicherung von IP-Adressen im Netz”, also das Übliche. Jahrzehntelang hätten Mitarbeiter der Süddeutschen bei solchen Aussagen zugebissen, aber sie hätten natürlich erst gar kein Interview im alten BR-Stil geführt. Man möchte die beiden Fragesteller gerne eine Woche lang im Redaktionsarchiv einsperren und nötigen, jeden Tag acht Stunden lang alte Ausgaben der Süddeutschen zu lesen.

Ja, die Fragen, die gestellt werden müssten, nachdem Faeser seit 2021 den Rechtsstaat massakriert hat, werden nicht gestellt. Nicht einmal die Lachnummer “Messerverbotszonen” ist den beiden Helden eingefallen. Und Faeser selbst ist frei von jedem Selbstzweifel, jeder Nachdenklichkeit, etwa so überzeugt von sich wie Kabinettskollege Robert Habeck. Am Ende des Interviews, nachdem sie sich auch noch für ihre Migrationspolitik gelobt hat, freut man sich eigentlich nur darüber, dass es endlich zu Ende ist, und ihre Erklärung, sie würde gerne weitermachen, ruft ein lautes und deutliches “Nein” hervor – und die wilde Hoffnung, sie nach den anstehenden Bundestagswahlen nicht mehr sehen zu müssen.

Vor dem inneren Auge wirbeln sie alle herum: das “Wir rufen alle an” des Verfassungsschutzgesetzes; die Änderung des Beamtenrechts nach dem Vorbild von 1933; die vielfältigen Handlungen gegen die Meinungsfreiheit, das Bundespolizeigesetz und weitere mehr. Und man möchte sie hinweggefegt sehen, aufgehoben und vergessen. Bis sich dann die traurige Stimme des Zweifels meldet, der anmerkt, es gebe in der deutschen Politik der letzten Jahrzehnte im Grunde nur eine Konstante: Schlimmer geht immer.

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