“Nur wenige Politiker wollen Krieg, aber die reichen aus” – Anti-NATO-Demonstration in Ramstein
Das wäre kein Problem, wenn dieser Text von jungen Leuten ohne politische Erfahrung verfasst worden wäre. Aber insbesondere Reiner Braun und Willy van Ooyen, die beide bereits seit Jahrzehnten in allen möglichen Friedensinitiativen unterwegs sind, wissen genau, dass derartige Sätze begrenzen, und die Kunst in der Schaffung von Bündnissen eben darin besteht, sich auf das in der konkreten Sache Entscheidende zu konzentrieren, auf das, was eint, nicht trennt. Der kühnste Satz in dieser Erklärung lautet: “Die Strategie, den Gegner niederzurüsten, ist von den Militärs der NATO-Führung vorgegeben und verfolgt in erster Linie die Interessen der USA.” Ansonsten “droht Deutschland in den Krieg abzurutschen”, oder “vieles erinnert schmerzhaft an den Juli des Versagens 1914”.
Das kann man alles meinen. Doch wenn bei genauem Lesen der einzige Akteur, dem auch noch “unmittelbare Kriegsschuld” zugewiesen wird, Russland ist, und die übrigen Akteure eher irgenwie in etwas hineinrutschen, dann wird damit Position bezogen, und all jene, die genau diese Position nicht teilen, sind unerwünscht. Wenn Braun und van Ooyen Sätze unterbringen, die auf eine NATO-kompatible Sicht begrenzen, dann wissen sie, was sie tun. Gleiches gilt, wenn sie mit der Formulierung, das EU-Europa müsse “wieder zu einer eigenständigen Friedensmacht werden”, auf die vielfach verhasste EU einschwören, die noch nie eine Friedensmacht war und deren Militarisierung bereits in den Gründungsdokumenten, dem Lissabon-Vertrag, festgelegt war.
Die Friedensbewegung, die es bräuchte, wenn man auf die reale Lage blickt, müsste sich anhand anderer Forderungen bilden. “Raus aus der NATO, Wiederherstellung der deutschen Souveränität” wäre das, was nötig wäre. Die Ablehnung der Raketenstationierung wäre eine deutlich kleinere Münze, aber vermutlich im gegenwärtigen Zustand zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Doch dann muss man sich auch darauf konzentrieren und jeden willkommen heißen, der dieses Ziel teilt.
Tut man dies nicht, folgt man nicht den schwierigen und strengen Regeln, die bei politischen Bündnissen nun einmal von der Wirklichkeit vorgegeben sind (und das gilt selbst dann, wenn die Aufrufenden nur noch Einzelpersonen sind), dann erreicht man nur eines – man sabotiert selbst die politische Wirksamkeit dieses Aufrufs und des eigenen Handelns. Formell werden alle Schritte vollzogen, aber ein wirklicher Erfolg, in dem Sinne, die Breite zu gewinnen, die erforderlich ist, um tatsächlich etwas am gegenwärtigen Kurs des Landes zu ändern, wird nicht einmal mehr angestrebt.
Das ist kein erfreulicher Zustand, denn er belegt, dass aus den Reihen der “alten” Friedensbewegung nichts zu erwarten ist. Der eine Teil der damaligen großen Bewegung, derjenige, der sich von den Grünen einfangen ließ, hat sich inzwischen in die Speerspitze der Kriegstreiber verwandelt, und der andere Teil schielt immer noch mit einem Auge auf sie und auf die SPD, und beschäftigt sich mehr mit der Einschläferung als mit der Mobilisierung für den Frieden.
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