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Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine “umverteilt”

Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine "umverteilt"

© Soziale Medien/https://t.me/svarschiki/11223Zerstörungen nach dem russischen Beschuss auf dem ukrainischen Gasfeld in Wodjanoje.

Von Jewgeni Posdnjakow

Von den russischen Streitkräften wurde ein Gruppenangriff auf die Einrichtungen des Gas- und Energiekomplexes in der Ukraine durchgeführt. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums ermöglichte die beschädigte Infrastruktur das Funktionieren des militärisch-industriellen Komplexes des Gegners. Für den Beschuss wurden Präzisionswaffen mit großer Reichweite und unbemannte Luftfahrzeuge (UAV) eingesetzt.

Lokalen Quellen zufolge handelte es sich bei den Zielobjekten unter anderem um Gasfelder im Gebiet Poltawa. Später erklärte der Pressedienst des ukrainischen Energieunternehmens Naftogaz, die Explosionen hätten die Produktionsanlagen des Unternehmens beschädigt. Infolgedessen wären neun Siedlungen in diesem Gebiet von der Gasversorgung abgeschnitten.

Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine "umverteilt"

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Russische Armee greift ukrainische Energieanlagen des militärisch-industriellen Komplexes an

Zur Erinnerung: Im Jahr 2025 intensivierte Russland seine Angriffe auf die Energieinfrastruktur des Gegners. So wurde Mitte Januar ein Raketenangriff auf Einrichtungen in der Stadt Stryi (Gebiet Lwow) durchgeführt, wo sich ein großes Gasspeicherwerk befindet. Die Militärkorrespondenten bezeichneten diesen Angriff als einen wichtigen Schritt zur garantierten Reduzierung des Militärpotenzials der ukrainischen Streitkräfte.

Anschließend, am 1. Februar, griffen die russischen Streitkräfte eine Reihe von Gas- und Energieinfrastruktureinrichtungen an, die auch zur Versorgung des ukrainischen militärisch-industriellen Komplexes dienen. Vor diesem Hintergrund entstanden in der Ukraine Probleme bei der Entnahme von Gas aus unterirdischen Gasspeichern. Nach Angaben von Reuters sank der tägliche Verbrauch der gelagerten Gasmengen auf 58 Millionen Kubikmeter, während der Gesamtbedarf des Landes bei 110 Millionen Kubikmetern pro Tag liegt.

In Kiew führte man die derzeitige Situation auf Schäden an den Kompressor-Stationen zurück, die durch den russischen Beschuss verursacht worden seien. Nach Angaben des Direktors des ukrainischen Energieforschungszentrums, Alexander Chartschenko, reicht der Druck in der Infrastruktur nicht aus, um das Gas abzupumpen. Experten halten solche Erklärungen jedoch für einen Versuch, die schlechte Vorbereitung des Büros von Selenskij auf die Heizperiode zu verschleiern.

“Ursprünglich wurden von den russischen Streitkräften hauptsächlich Wärmekraftwerke angegriffen. Das Ziel war es, dem Feind die Stromübertragung zu erschweren. Mit anderen Worten: Wir haben die ukrainischen Streitkräfte auf einen “Energiehungerzustand” gebracht”,

sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Politologe Iwan Lisan.

Die Gasinfrastruktur sei nicht auf der Liste der vorrangigen Angriffsziele aufgeführt, so der Analytiker weiter. Schließlich habe die Ukraine zu diesem Zeitpunkt als Gastransporteur nach Europa fungiert. “Damals bestand kein Grund, diese Gassysteme anzugreifen. Durch den Verzicht auf den Gastransit haben sich die ukrainischen Behörden jedoch selbst der Beschussgefahr ausgesetzt”, betont der Experte.

Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine "umverteilt"

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Gaspreise in Europa erreichen Zweijahreshoch

Dem Gesprächspartner zufolge führen die russischen Angriffe auf die gegnerische Gasinfrastruktur zu Problemen beim Ein- und Auspumpen von Erdgas in die unterirdischen Gasspeicher. In diesem Zusammenhang erinnert er an die vom Büro von Selenskij geäußerten Beschwerden, wonach das Gasvolumen in den unterirdischen Speichern auf ein kritisches Niveau gesunken sei.

Nach Ansicht des Analytikers besteht eines der Hauptprobleme der ukrainischen Regierung in der schlechten Vorbereitung auf die Heizperiode. Es sei vermutlich zu wenig Gas in die Speicher gepumpt worden. Und jetzt – nachdem die Gasinfrastruktureinrichtungen auf der Angriffsliste des russischen Militärs stünden – habe der Feind zusätzliche Schwierigkeiten.

Lisan zufolge ist es wichtig, dass die russischen Truppen nicht einzelne Türme angreifen, sondern Punkte, an denen das Gas zuerst angeliefert und dann über das ukrainische Gastransportsystem verteilt wird. Er weist darauf hin, dass in den vergangenen Tagen gerade solche Einrichtungen “ausgeschaltet” worden seien.

Laut dem Gesprächspartner könnten diese Angriffe auch mit dem Ziel erfolgen, die Ukraine zur Wiederaufnahme des Gastransits zu zwingen. “Im Prinzip haben sie [die ukrainischen Behörden] keine andere Wahl: Der Druck in den Leitungen reicht nicht aus, um Gas zu pumpen, die eigene Gasproduktion ist zurückgegangen und in den unterirdischen Gasspeichern gibt es keine ausreichenden Vorräte”, argumentiert Lisan. Allerdings “wird kein Ziel verfolgt, das Land in die Steinzeit zu stürzen”.

“Solche Ziele verfolgen beispielsweise Kiew und Chișinău in Bezug auf Transnistrien. Hingegen zielt die russische Seite in systematischer Weise auf die Schwächung des militärisch-industriellen Komplexes der Ukraine ab. Als Folge solcher Schläge werden die Kosten für die Unterhaltung von Selenskijs Büro für die EU immer höher”, fügt der Experte hinzu. Seine Prognose lautet: 

“Die Behörden werden in naher Zukunft gezwungen sein, Maßnahmen zur Reduzierung des Gasverbrauchs zu ergreifen.”

Zudem müssten sie die Temperatur des Wärmeträgers in den Gaskesselhäusern senken. Mittelfristig stellt sich jedoch in jedem Fall die Frage der Vorbereitung auf die nächste Heizperiode: Dann muss das Erdgas, das in Europa immer knapper wird, wieder in unterirdische Gasspeicher gepumpt werden.

Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine "umverteilt"

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Ukraine beginnt mit Gasimporten

Vor den Ereignissen von 2013 und 2014 sei das Zentrum der ukrainischen Gasförderindustrie der Osten des Landes gewesen, erklärt der Energieexperte Aleksei Anpilogow.

“Die meisten Gasförderaktivitäten fanden dort in einem langen Abschnitt vom Norden des Gebiets Dnjepropetrowsk bis in den Süden des Gebiets Charkow statt. Die dortigen Gasvorkommen wurden bereits zu Sowjetzeiten erschlossen”, sagt er.

“In der Vergangenheit wurde auch im Westen der Ukraine Gas gefördert. Die regionalen Gasvorkommen waren jedoch erschöpft, sodass der Energiesektor – z. B. in dem Gebiet Lwow – allmählich ins Stocken geriet. Das Problem wurde jedoch auf sinnvolle Weise gelöst: Die vorhandene Infrastruktur wurde in unterirdische Gasspeicher umgewandelt”, erklärt er.

“Als nächstes Gebiet für die aktive Erschließung von Gasfeldern sollte die sogenannte “Erdgasprovinz Krim” dienen. Die ukrainischen Behörden planten sogar die Erschließung von Gasvorkommen auf dem Schwarzmeer-Schelf. Im Jahr 2014 musste Kiew jedoch auf diese Pläne verzichten”, so der Gesprächspartner.

“Darüber hinaus gab es weitere Pläne zur Steigerung der inländischen Gasförderung.”

So stellte beispielsweise das ukrainische Energieunternehmen Naftogaz im Jahr 2020 die Strategie “Dreizack” vor. “Sie besteht aus drei Komponenten: erstens – die Gasförderung aus tiefen Lagerstätten, zweitens – Gas aus Schiefergestein und drittens –Schelfgas”, hieß es in einer Mitteilung dieses Unternehmens.

Ein weiteres nicht realisiertes Projekt stellte die Initiative “20/20” dar, deren Umsetzung von der vorigen Regierung des Landes genehmigt worden war. Nach dem Konzept sollte das Staatsunternehmen Ukrgazdobytscha bis zum Jahr 2020 eine Menge von 20 Milliarden Kubikmetern Gas fördern.

“Daher verfügt die Ukraine nur noch über Gasvorkommen im Osten des Landes. Aber auch diese gehen allmählich zur Neige. Die Förderung in den Gebieten Dnjepropetrowsk, Poltawa und Charkow reicht jedoch nur für den kommunalen Gasbedarf. Die gesamte ukrainische Industrie konnte nur durch den Import von Energieressourcen aufrechterhalten werden. Übrigens war Moskau der Hauptgaslieferant, wenn auch nicht offiziell”, betont der Experte.

“Kiew dachte sich einen Plan aus: Das Gas floss weiterhin von Russland nach Europa, und bei der Durchleitung durch die Ukraine wurde ein Teil davon “ausgelassen”, um den lokalen Gasbedarf zu decken. Die Bezahlung für die verbrauchten Kubikmeter ging an die Tschechische Republik oder Polen. Mit anderen Worten: Der Verzicht auf unser Gas stellte lange Zeit eine Fiktion dar”, meint Anpilogow.

Wie Russland das restliche Erdgas in der Ukraine "umverteilt"

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Orbán: Ukraine bedroht Europa mit neuer Energiekrise

“Doch seit dem 1. Januar dieses Jahres sieht die Situation ganz anders aus.

Der zwischen Kiew und Moskau geschlossene Gastransitvertrag sei ausgelaufen. Und die Ukraine lehne es ab, ihn zu verlängern. “Damit zerstörte sie im Alleingang das jahrzehntelang kalibrierte Gashandelssystem, das die gesamte osteuropäische Region umfasste”, sagt er.

“Zudem hielten Verträge über Gaslieferungen nach Europa Russland lange Zeit davon ab, Angriffe auf die gegnerische Energieinfrastruktur zu verüben. Unsere Pipelines waren eng in das ukrainische Gassystem integriert. Daher könnte die Beschädigung einer ihrer Komponenten die Fähigkeit von Gazprom beeinträchtigen, die getroffenen Vereinbarungen zu erfüllen”, erklärt der Experte.

“Heute gibt es diesen Abhaltungsfaktor nicht mehr. Unsere Angriffe auf die ukrainischen Gasförderkapazitäten zielen darauf ab, den Feind daran zu hindern, überschüssiges Gas für die Produktion von Militärausrüstung zu verwenden. Damit soll ein Gasdefizit entstehen, sodass die Ukraine die verbleibenden Gasressourcen nur zur Gasversorgung der inländischen Verbraucher nutzen kann”,

so der Gesprächspartner.

“Früher oder später werden die ukrainischen Verantwortlichen in die Enge getrieben worden sein.”

Er meint: “Natürlich wissen wir, wie Selenskijs Büro mit seinen eigenen Bürgern umgeht. Es wird sicherlich versuchen, die Interessen der Bevölkerung außer Acht zu lassen und das Gas dem Militär zuzuführen. Doch in diesem Fall kommt es zu einer Sozialkrise, mit der die dortigen Machthaber rechnen müssen.

Es wird für den Gegner nicht einfach sein, aus der derzeitigen Situation herauszukommen. Zwar hat die Ukraine die Möglichkeit, Gas von Polen oder der Tschechischen Republik zu erwerben. Aber die Preise werden enorm hoch sein, da Europa selbst unter einem riesigen Engpass an Energieressourcen leidet. Und der Umfang des Gastransports wird minimal sein”, sagt Anpilogow abschließend.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 11. Februar 2025 zuerst auf der Zeitung Wsgljad erschienen.

Quelle

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