EU-Karbonzoll CBAM: Koloniale Erpressung und ein kleiner Handelskrieg mit den USA
Laut der Zeit belegen jedoch nicht nur Studien, sondern auch Einzelbeispiele, wie aufgebläht der Zertifikatehandel ist. So gaben die Projektbetreiber des Schutzgebietes Alto Mayo in Peru an, dass in den nächsten 60 Jahren 60 Prozent des Regenwaldes zerstört werden. Die Zahlen lagen doch viermal höher als in einem Vergleichsgebiet direkt nebenan. Dennoch erteilte Verra die vorgesehenen Zertifikate. Auch der Betreiber South Pole gab 2012 beispielsweise an, sein Projekt werde 1,7 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Ein Jahr später waren es mit einer neuen Rechnung dann auf einmal 6,6 Millionen Tonnen CO₂.
Zudem gebe es in den Regeln von Verra, nach denen die Zertifikate erteilt werden, zahlreiche Schlupflöcher, fragwürdige Angaben der Projektbetreiber und kuriose Rechnungen, die zeigen, wie willkürlich die Zertifikate entstehen. In dem Artikel heißt es:
“Jedes Waldschutzprojekt beruht auf einer Spekulation über die Zukunft. Und jedes Projekt birgt einen natürlichen Anreiz, falsch zu spekulieren: Denn je mehr Abholzung ein Projektbetreiber in seinem Wald erwartet, desto mehr Zertifikate kann er produzieren. Je düsterer seine Prognose, desto mehr Geld kann er also verdienen.”
Einige beteiligte Wissenschaftler räumten die Probleme des Zertifikatehandels auch ein. Der Ökologe Lucio Pedroni, der Verras seit Jahren berät und das Regelwerk mit erstellte, sagte:
“Leider wurde das System, das Verra aufgebaut hat, von einigen missbraucht, was bei einigen Projekten zu überhöhten Prognosen geführt hat.”
Auch Charlotte Streck, Potsdamer Professorin und Klimaberaterin, die von 2019 bis 2021 im Vorstand von Verra saß, erklärte, die Berechnungen, wie viel CO₂ ein Wald kompensieren kann, ließen sich so verzerren, dass Projekte mehr Zertifikate erhalten, als sie sollten.
“Man hätte das früher erkennen können. Man war in dem System auch selbstgefällig.”
Verra selbst wies die Vorwürfe gegenüber der Zeit zurück. Bildlich gesprochen gebe es neben Überschätzungen auch Unterschätzungen, so die Begründung.
Laut Axel Michaelowa gehe es Verra aber vor allem um Macht – und darum, ein Imperium zu errichten. Im Fokus steht dabei neben dem Markt der Unternehmen auch der der Staaten. Bisher können Länder nur aus von den UN zugelassenen Projekten Emissionsrechte erwerben. Laut dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2016 können Staaten dann selbst entscheiden, welche Zertifikate sie zulassen. Für den Zertifizierer steht daher viel auf dem Spiel, denn es geht darum, seine Macht auszubauen. Passenderweise befinden sich die Büros des Zertifikatehändlers bereits an der richtigen Stelle – nicht einmal einen Kilometer vom Weißen Haus entfernt.
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