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Von Wladimir Kornilow
Weltweit wird derzeit versucht, einzelne Äußerungen und Handlungen von US-Präsident Donald Trump zu deuten. Auf diese Weise erhoffen sich viele, eine passende Strategie und Erfolg versprechende Taktik für künftige Verhandlungen mit ihm auszuarbeiten, Verhandlungen über verschiedene Themen – auch über Krieg und Frieden in der Ukraine. Das Schwierigste dabei ist, zu erkennen, wo bei Trump die Grenze zwischen trivialem Trollen von Gegnern und ernst gemeinten Drohungen verläuft.
“Herr Trump, verpi**en Sie sich!” – Dänischer Abgeordneter zu Grönland-Ambitionen der USA
Nach Meinung von Mark Galeotti, einem renommierten britischen Politologen, der sich für einen “Russland-Experten” hält, war die “traditionelle Kremlinologie” in Zeiten des Kalten Krieges eine “geheime Kunst, die Fraktionen zu identifizieren, die hinter den Kulissen die Politik Moskaus gestalten”. Jetzt erleben wir mit Bezug auf das Weiße Haus den Aufstieg einer analogen Forschungsrichtung, der “Trumpologie”, bei der die Deutung der künftigen US-Politik auf den “Kampf um Trumps Ohr” reduziert wird.
Galeotti zitiert die Beschwerde eines Beamten der Europäischen Kommission:
“Wir sollen uns mit Nationalinteressen, Abkommen und so weiter befassen, aber jetzt werden wir gebeten, die Bedeutung von Trumps Launen und beiläufigen Kommentaren zu analysieren, und selbst das US-Außenministerium kann uns nicht sagen, was da los ist.”
In diesem Zusammenhang erweist sich die Reaktion der dänischen Politiker und Medien auf Trumps Äußerungen zum Schicksal Grönlands als besonders aufschlussreich. Nachdem der US-Republikaner und Sieger der im Dezember abgehaltenen US-Präsidentschaftswahlen ein unverhohlenes Interesse an der arktischen Insel gezeigt hatte, setzte in Dänemark Panik ein, die allmählich in Hysterie umschlug. Die Politiker riefen zur Ruhe auf. Die dänische Premierministerin Mette Frederiksen äußerte sich dahingehend, dass sie bereits mit Trump zusammengearbeitet habe und es daher keinen Grund zur Panik gebe. Der dänische Außenminister Lars Rasmussen legte der Öffentlichkeit die Worte des designierten Präsidenten aus:
“Er sollte zwar ernst genommen werden, aber nicht wortwörtlich.”
Den Höhepunkt bildete Frederiksens Telefonat mit Trump am 15. Januar, nach dem die dänische Premierministerin dringend eine geschlossene Sitzung ihres Krisenstabs einberief und eine gemeinsame Pressekonferenz mit dem grönländischen Premierminister abhielt, auf der sie versicherte, dass “die Insel nicht zum Verkauf steht”.
“Es war schrecklich”: Trump bekräftigt gegenüber dänischer Premierministerin Anspruch auf Grönland
Dann entspannte sich die Situation plötzlich! Laut dem dänischen Journalisten Ole Rasmussen stieß Kopenhagen einen “dreifachen Seufzer der Erleichterung” aus, als Trump in seiner Inaugurationsrede Grönland (wie übrigens auch die Ukraine) kein einziges Mal erwähnte. Der Journalist schlug sogar vor, dass Frederiksen eine Flasche Wein aus ihren Vorräten entkorkte, als sie feststellte, dass “der Panamakanal und der Mars auf Trumps Liste der Eroberungen offenbar einen höheren Rang genießen als Grönland”.
Und Ende letzter Woche waren die dänischen Medien nach dem ersten Gespräch zwischen dem dänischen Außenminister und dem kürzlich ernannten US-Außenminister Marco Rubio wieder endgültig entspannt und gelassen. In einem Interview mit TV2 News freute sich Lars Rasmussen, dass Grönland in dem Gespräch gar nicht erwähnt wurde, sondern die Ukraine und der Nahe Osten im Mittelpunkt standen. Die dänische Presse erklärte ihren Mitbürgern sogar, wie stolz sie darauf sein sollten, dass der neue US-Außenminister Kopenhagener Vertreter für sein erstes Auslandsgespräch ausgewählt habe.
Doch die Entspannung war nur von kurzer Dauer. In der Samstagsausgabe der Financial Times erfuhr die Welt einige Details aus ebendiesem Gespräch zwischen Trump und Frederiksen. Und es stellte sich heraus, dass Trump noch vor seinem Amtsantritt als US-Präsident sehr aggressiv auftrat und fast in Form eines Ultimatums die Übergabe Grönlands forderte.
Und als die Kirsche auf dem Sahnehäubchen erwies sich das Interview, das der US-Präsident am Sonntagabend in der “Air Force One” dem Pressepool des Weißen Hauses gab. Ohne mit der Wimper zu zucken, erklärte der Anführer der “Freien Welt” ganz ruhig, dass er nicht verstehe, warum sich Dänemark so verhalte. In einem Satz erklärte Trump alle Prinzipien einer “regelbasierten Weltordnung”:
“Ich denke, wir kriegen Grönland, weil es mit der Freiheit der Welt zu tun hat […] es hat nichts mit den Vereinigten Staaten zu tun – außer, dass wir diejenigen sind, die diese Freiheit gewähren können. Sie selbst sind dazu nicht in der Lage.”
Abgeordneter: Grönland hat Recht auf Selbstbestimmung wie Donbass
Was für eine emotionale Achterbahnfahrt für Dänemark! Ein paar Kommentare aus Washington – und das ganze europäische Land verfällt mal in einen Zustand freudiger Euphorie, mal in tiefe Frustration! Und das hat bereits erste Folgen. In der dänischen Presse gibt es sogar Stimmen, die zur Kapitulation aufrufen!
Die Zeitung Politiken zeigt sich entsetzt über die Situation, in der Dänemark als derzeitiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats für Resolutionen stimmen muss, die Trumps imperialistische Bestrebungen verurteilen. Diese Situation nennt die Zeitung ein “schwieriges Dilemma”. Auch Bjarne Winter, Professor an der Universität Aalborg, jammert:
“Wir haben keine Tradition, im UN-Sicherheitsrat gegen die USA zu stimmen. Das Dilemma wird darin bestehen, dass man abwägen muss, ob es sich lohnt.”
Völkerrecht? Die UN-Charta? Nein, von so etwas ist nicht die Rede. Denn die zweite Regel in dieser auf Regeln basierenden Welt lautet:
“Wenn Amerika im Unrecht ist, siehe Punkt eins – Amerika hat immer Recht.”
Und der Wirtschaftsanalytiker Andreas Steno sagt es bereits ganz unverblümt:
“Ich glaube nicht, dass wir eine realistische Chance haben, den Amerikanern die Stirn zu bieten. Letztlich werden sie ihren Willen durchsetzen, egal was wir tun.”
Und er appelliert ganz eindeutig an die dänischen Regierungsstellen, diese einzigartige Gelegenheit zu nutzen und Grönland gewinnbringend zu verkaufen, um die dänische Wirtschaft für die nächsten Jahrzehnte abzusichern.
Mit anderen Worten: Das Spiel von Trump und Rubio im Sinne von “guter Polizist/böser Polizist” zeigt bereits seine Wirkung! Der dänische Analyst Hans Mauritsen analysiert das Vorgehen seiner Regierung und reduziert alles auf “externe Entdramatisierung” und den unter vorgehaltener Waffe gemachten Vorschlag “Lasst uns reden!”. Viele Dänen reagieren verärgert auf das nur stillschweigende Mitgefühl der europäischen Verbündeten.
Diese Haltung ähnelt in gewisser Weise den Erinnerungen eines Königs an seinen Vorfahren aus der sowjetischen Komödie “Das gewöhnliche Wunder”:
“Er war ein sanftmütiger Mann: Beim kleinsten Unglück stand er still, tat nichts und hoffte auf das Beste. Als seine geliebte Frau vor seinen Augen erdrosselt wurde, stand er neben ihr und redete ihr zu: ‘Hab Geduld! Vielleicht wird es gut gehen!'”
Europa reagiert nun auf die Erdrosselung Dänemarks durch seinen Verbündeten genau nach diesem Muster.
Trumps Drohungen gegen Grönland: EU und NATO antworten mit Schweigen
Angesichts des Verhaltens Kopenhagens an der ukrainischen Front braucht sich Russland offensichtlich keine Sorgen um das Schicksal des dänischen Königreichs zu machen. Zugleich aber muss man sich natürlich darüber im Klaren sein, dass die von Trump in der Ukraine bereits angewandte Taktik der emotionalen Achterbahnfahrt auch in Zukunft fortgesetzt werden wird. Daher müssen sowohl wir als auch die neuen “Trumpologen” im Westen diese Taktiken analysieren und auf die überraschendsten Wendungen in der Position des Weißen Hauses vorbereitet sein. Wir sollten auch nicht vergessen, dass wir im Gegensatz zum “standhaften” Dänemark unsere Position nicht an diese Wendungen und Schwankungen anpassen werden. Aber es ist durchaus möglich und sogar sinnvoll, sie für unsere eigenen Zwecke zu nutzen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 28. Januar 2025 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
Quelle